In Schwung

So etwas simples und doch so gut. Ja, die Schaukel. Ein tolles Ding. Ganz spontan haben wir heute auf dem Weg zu unserem Lebensort einen Abstecher in den Baumarkt gemacht. Ein Seil musste her. Ein langes! Denn der Plan war gefasst. Wir bauen eine Schaukel. Für kleine aber auch für große Popos. Denn auf so einer Schaukel sitzt jeder gerne. Auch zu zweit geht das. Wir haben das getestet, der Herzensmann und ich. So kann man sich richtig gut zu zweit einschwingen. Manchmal ist das von großer Notwendigkeit. Besonders dann, wenn manch andere Sachen scheinbar so gar nicht in Schwung kommen wollen.

Dazu gehört unser Bauvorhaben. Ja, das alte Haus ist nur mit enormen Geldmitteln wieder instand zusetzen, so dass ein Neubau für uns eher in Frage kam und kommt. Wir haben auch einen schönen Plan mit einer guten Firma gemacht. Haben ein Abrissunternehmen parat und auch die Baugenehmigung wäre nun soweit fertig. Ja, denn auch das hat ja schon ne Weile gedauert. Es gab da so ein paar Rückfragen. Manche waren von der Sorte „Gut dass das noch geklärt wurde“ andere eher so von der Sorte „ Was?! Warum wollen sie das wissen? Haben die sich mal die Pläne angeguckt?“ Und zwischendurch waren alle noch mal im Urlaub. Naja, aber wir wollen da niemandem irgendwas unterstellen. Jeder, der irgendwann mal irgendetwas gebaut hat, kennt das ja. Und dann ist es ja so, dass man und auch frau auf sein Grundstück drauf kommen muss. Zu Fuß, aber auch mit dem Auto. Und da ist unserer zukünftigen Gemeinde doch tatsächlich noch eingefallen, dass sie vor einem Teil unseres Grundstücks noch ein öffentliches Grundstück besitzt. Dieses Grundstück wurde seit Jahr und Tag genutzt zum drüber fahren. Auch andere Parken da. Ist ja öffentlich. Das hatte auch keinen gestört, war alles so weit in Ordnung. Bis vor wenigen Wochen wir den Bescheid bekamen, das wir noch dieses Grundstück kaufen sollten, nein müssen. Denn ohne dieses Grundstück, kämen wir ja nicht auf unseres und damit könnten wir auch nicht bauen.

???

Ja, da waren bei uns erst mal nur Fragezeichen. Denn wie kann es sein, dass wir etwas müssen, von dem wir gar keine Kenntnis haben. Noch dazu wollen wir das Grundstück gar nicht verändern, na gut, das stimmt nicht ganz, wir würden uns wünschen, dass die, nicht so schöne, Miste weggemacht wird. Aber das nur aus Sicherheitsgründen. Die steht nämlich 1,40 m voll mit Wasser. Aber hauptsächlich möchten wir da nur drüber fahren. So wie alle Bewohner unseres Grundstückes vor uns auch. Aber das geht nicht mehr, denn es gibt einen Gemeinderatsbeschluss. Der ist sogar schon vier Monate alt und in dem steht, dass wir dieses Grundstück kaufen müssten, sonst können wir nicht bauen. Mich stören daran ganze zwei Sachen, naja mehr aber das ist nicht ganz so wichtig. Zum einen, klingt das Ganze nach wenn du das nicht machst, dann kannst du auch jenes nicht machen. Das fühlt sich so ein bisschen nach Erpressung an. Darf eine Gemeinde das? Das andere ist, da beschließt eine Gemeinde etwas, was mich maßgeblich betrifft und die Gemeinde hat weder den Anstand mich vor dem Beschluss noch direkt nach dem Beschluss zu kontaktieren und mit mir zu sprechen. Nein! Sie lassen es liegen und liegen und liegen. Bequemen sich erst ganz zum Schluss, wenn es gar nicht mehr anders geht, mit uns in Kontakt zu kommen und uns darüber „in Kenntnis“ zu setzen. Da kann man doch ganz schön sauer werden.

Und ratlos. Denn den gewünschten Preis können wir für die 150 qm nicht zahlen. Das Geld haben wir nicht. Alle Gespräche und Vorschläge unsererseits wurden gefühlt gegen den Wind geführt. Und ich muss bei Gesprächen mit Nachbarn und Freunden feststellen, dass die Gemeinde an dieser Front nicht den besten Ruf hat. Man könnte gar meinen, dass es so eine Art Vetterleswirtschaft gibt, wie es im schwäbischen so schön heißt. Aber auch hier, wir wollen da niemandem etwas unterstellen.

Schön wäre eigentlich nur, wenn wir zu einer Lösung kommen, die für alle tragbar ist. Doch dazu muss man miteinander reden und im Kontakt suchen ist die Gemeinde nicht so gut. Aber wer weiß, vielleicht bringt unsere Schaukel auch da etwas in Schwung. Denn wir können das, mit dem Kontakt herstellen. Und so Schwingen wir uns noch ein bisschen ein, bis wir am Freitag hoffentlich wieder Schwung in die ganze Sache bringen.

Kindergarten Klappe die 2.? – Oder warum übergeben übergriffig ist

Vor den Faschingsferien ging es los. Wenn ich die Kinder ins Kinderhaus bringe, ist das nicht immer so schön. Das Septembermädchen schreit und klammert sich an mich. Oder sie ist unendlich traurig und möchte nicht, dass ich gehe. Sieht sie mich, weil ich zwischen durch noch mal da bin wegen einem Termin, bricht sie zusammen. Ohne mich geht nicht. Also nehme ich sie wieder mit nach Hause. Ein schreiendes Kind dort zu lassen mache ich nicht. Besonders dann nicht, wenn sie klar formuliert, dass sie bei mir sein möchte. 

Sie ging bis dahin gerne in das Kinderhaus. Sie kennt sich aus. Sie hat Freunde gefunden. Sie fühlte sich wohl. So war zumindest mein Eindruck und ich bin nun ratlos. Ich weiß nicht, was der Auslöser ist. Ich weiß nicht, warum nun gerade der Wechsel kommt. Zu Hause spielt sie. Sie ist sehr kooperativ. Es gibt ein paar kleine fast unscheinbare Veränderungen. Sie möchte nun wieder mit mir aufs Klo gehen. Okay, das ist etwas nervig, denn eigentlich kann sie sich die Hose selber runter ziehen. Aber gut. Je nach Situation komme ich mit, oder ich erkläre ihr, dass es nicht geht, weil ich zum Beispiel gerade koche. Dann ist dies für sie meistens auch okay. Eine andere Situation, die wir so vorher nicht hatten, ist Folgende: Sie ruft mich und ich antworte nicht prompt sondern etwas später. Also innerhalb von drei bis fünf Minuten. Was eigentlich in Ordnung war bis dato. Sie fängt dann sehr stark an zu weinen, ist traurig oder lässt den Kopf betrübt auf die Brust sinken. So finde ich sie dann. Sie fühlt sich alleine, nein allein gelassen. Während der Spielphasen, fragt sie auch regelmäßig, wo ich bin. Für mich eigentlich klar, sie braucht wieder mehr Sicherheit. 

Die gebe ich ihr gerne. So ist für mich eines der wichtigsten Dinge in dieser Situation, auf das Septembermädchen hören. Das klingt nun ganz logisch und als das Selbstverständlichste der Welt. Ist es jedoch nicht. Und auch ich musste das für mich noch mal klar machen. Die schwierigen Situationen sind ja nicht die kleinen Momente zu Hause. In denen sind wir im Gespräch. Das Septembermädchen und ich und können so gestärkt aus diesen Situationen gehen. Ganz anders die Momente im Kinderhaus. Dort bin ich nicht mehr mit dem Septembermädchen alleine. Dort spüre ich nun ‘Erwartungen’ und meine ganz eigenen inneren Glaubenssätze. So habe ich die letzte Woche versucht, das Septembermädchen zu überreden da zu bleiben. Den Vorschlag der Erzieherin, das ich ihr das Kind (welches sich an mich klammert und weint) nun übergeben soll, habe ich ein Mal sehr widerstrebend angenommen. Beim Abholen habe ich direkt erklärt, dass ich das so nicht wieder machen werde. Ja, diese Situationen sind sehr unschön. War eine etwas zustimmende Reaktion. Doch für mich steckt da mehr als nur unschön dahinter. 

Denn was passiert eigentlich mit ‘dem Kind’? Es wird übergeben. Richtig. Ein junger Mensch wird zum Objekt gemacht. Ich kann nur etwas übergeben. Einen Menschen nicht. Ein Mensch übergibt sich im Zweifel selber. Das ist auch eine eher unschöne Situation. Der Mensch wird also zum Objekt, verliert dadurch so ziemlich alles. Hin zu kommt, das der junge Mensch sich äußert und seine persönlichen Bedürfnisse kundtut. Diese werden übergangen und beim jungen Menschen kommt an, es ist egal was du möchtest, ich mach was mir passt. Jeder der das so liest, möchte sicher nicht tauschen. Wer möchte schon gerne ein Übergabeobjekt sein. Doch es kommt noch mehr oben drauf. Die Person, der ich am meisten vertraue  (meistens bringen sehr vertraute Personen die jungen Menschen in den Kindergarten) nimmt mich nicht ernst. In einem Moment, in dem es mir wirklich nicht gut geht. Kann ich so einer Person weiterhin vertrauen? Puh. Alles in allem eine schwierige Situation. Und ein Vorschlag, der meiner Meinung nach, nicht wirklich hilft, auch wenn er häufig praktiziert wird. 

Wie es weiter geht? Mal sehen. Für mich ist klar, so das es für mich und vor allem für das Septembermädchen passt. 

Von Trösten und Liebe

Unsere Kinder müssen nicht abgehärtet werden. Sie brauchen keine Sprüche zu hören bekommen á la das tut doch gar nicht weh, hab dich nicht so oder hör jetzt auf mit heulen. Auch ein “jetzt hast du genug geweint” können wir stecken lassen. Woher sollen wir das wissen? Jeder Mensch hat für sich seine eigene Schmerzgrenze. Jeder Mensch weiß für sich ob es noch weh tut oder nicht. Jeder Mensch weiß nur für sich ob er noch wütend ist. Wir können es also nicht für Andere sagen. Nicht für ältere und nicht für jüngere Menschen. 

Aber wir können zu hören, warum geweint wird. Wir können zu hören, warum jemand wütend ist. Wir können respektieren wie sich jemand fühlt und ihm oder ihr sagen; es ist okay. Ja, es ist okay wütend, traurig oder sauer zu sein. Ja, wir dürfen merken, wenn jemand schlecht drauf ist. Ja, das ist oft anstrengend, aber ab und zu muss auch mal Regen fallen, sonst sehen wir die Sonne nicht. Ab und zu? Oder ganze Tage lang? So oft wie es gerade nötig ist. 

Dabei dürfen wir sie mit Liebe überschütten. Wir müssen uns nicht zurück halten, weil man das ja nicht macht oder so. Nein! Wir geben so viel Liebe in Form von Zuwendung, Hilfe, kuscheln, zuhören und was sonst noch gebraucht wird, wie wir können. Niemand kann zu viel Liebe haben. Ganz sicher bin ich mir darüber, dass unsere Welt viel mehr Liebe verträgt. Bei jungen Menschen fällt es uns leichter. Darum fangen wir dort an. 

An unserem Kühlschrank hängt ein Magnet mit dem Spruch:

Zuviel des Guten kann wundervoll sein.

Ich glaube auch. 
Auch mir rutschen immer wieder solche doofen Sätze raus. Deswegen schreibe ich mir das auch hier wieder auf. Meistens sind es Situationen in denen ich mir auch ein bisschen mehr Liebe von irgendwo her wünsche. Diese unerschöpfliche Quelle an Liebe ist in uns drin. Oft vergraben unter vielen Vorstellungen, Denkmustern und so altem Zeug, was wir so eingesammelt haben. Ausmisten tut gut, ist aber gar nicht so leicht. Denn immer dann, wenn ich denke nun bin ich da, findet sich noch mehr alter Kruscht. 

Wie viel kostet Liebe?

Keine Woche bis Weihnachten. Werbung hier und Werbung da. Überlegungen wer was geschenkt bekommt gibt’s schon länger, doch nun beginnt die heiße Phase. Denn es wird ja wirklich ein Geschenk für diesen gebraucht und jene darf man auch nicht vergessen. Hin und wieder hört man auch, dieses Jahr gibt es nur etwas Kleines. Am Ende liegen trotzdem eine Menge Geschenke unter dem Baum. Denn das Kleine fühlte sich plötzlich nicht mehr ausreichend an. Warum eigentlich? 

Ein Phänomen, welches ich dieses Jahr bei mir selber beobachten konnte. Ich habe ein Geschenk gefunden. Genauer gesagt, das Geschenk. So eins bei dem der Beschenkte (oder die Beschenkte oder das Beschenkte. Ich möchte jetzt hier nicht eines der Geschlechter benachteiligen, aber es behindert meinen Schreibfluss, wenn ich jedes Mal noch der, die oder das dazu schreiben muss. Also es kann immer der oder die oder das sein, jedoch steht nur eins davon da.) also so ein Geschenk, bei dem der Beschenkte sich freut, weil es genau das Richtige ist. Der Beschenkte vorher gar nicht wusste das er das “brauchen” könnte. Also Nagel auf den Kopf getroffen. Und so lag das Geshenk da. Schon eine Weile. Die Vorbereitungen krochen näher, dann etwas schneller und so langsam schlich sich das schlechte Gewissen ein. Ist das denn genug? Reicht das? Vielleicht hat man selber einen Wunsch geäußert, der ganz anders geartet ist und monetär  bemessen eventuell mehr wert ist. Dann geht das Vergleichen direkt los. Ganz schnell kann es dann sein, dass man sich unwohl fühlt. So ging es zumindest mir. Da stand ich nun mit meinem perfekten kleinen Geschenk. Und dann machte ich mich auf die Suche nach noch einem kleinen Geschenk. Denn zwei  kleine Geschenke machen ja doch auch etwas mehr her, oder? Und nun liegen da mehrere kleine Geschenke. Und ich frage mich, warum? Warum ist das Eine nicht gut genug? Warum muss es in Relation zu irgendetwas sein? Angemessen oder Ausgewogen oder was weiß ich. Warum kann uns unser schlechtes Gewissen da so rein spielen? Und es betrifft ja nicht nur Partner- oder Freundschaften. Warum bekommen Kinder so viele und vor allem große und monetär hochwertige Geschenke? 

Die Antwort, die ich gefunden habe, ist einfach. Vielleicht aber auch nicht, denn es geht um Liebe. Um Liebe und Zeit. Und wann waren diese beiden Faktoren einfach? 

Die erste Antwort, die ich fand, ist einfach. Mit einem Geschenk zeigen wir unsere Liebe. Wir machen jemandem eine Freude, weil er uns wichtig ist. Einfach. Eigentlich. Doch ist die Liebe größer, wenn wir ein größeres, teureres Geschenk verschenken? Nein! Ist die einzige ganz klare Antwort in mir. Obwohl? Die einzige? Wenn ich Etwas ganz großes teures verschenke, dann ist doch wohl klar, dass mir der Beschenkte schon sehr viel wert ist. Das er mir sehr wichtig ist. Das heißt auch, das meine Liebe zu dem Jenigen sehr groß ist. Oder? Nein. Aus dem einfachen Grund, weil Liebe kein Gut ist was sich monetär bewerten lässt. Liebe ist, oder eben nicht. 

Die zweite Antwort, die ich fand, ist die Sache mit der Zeit. Zeit haben wir oder nicht. Die meisten heut zu Tage eher nicht. Wir können Sie bewerten, auch monetär, doch eigentlich ist Zeit wertfrei. Sie ist und wir nehmen sie uns. Und so ist auch -sich für jemanden Zeit nehmen- ein Geschenk. Wenn wir Zeit miteinander verbringen, teilen wir Erlebnisse, Momente und Erfahrungen. Wir er-Leben gemeinsam. Wir teilen das wertvollste was wir haben – unsere Lebenszeit. Und so ist das einzig adäquate Geschenk, für jemanden den wir lieben, Zeit. 

Und nun? Nun beißt sich die Katze in den Schwanz. Eigentlich wissen wir das nämlich längst. Eigentlich wissen wir, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen sollten. Nicht nur dann, wenn es gesellschaftlich vorgeschrieben ist, also zu Weihnachten oder an Geburtstagen. Nein, wir sollten regelmässig über das Jahr verteilt uns Zeit nehmen. Dann wenn sie gebraucht wird oder einfach so. Vorlesen, obwohl Wäsche legen dran ist. Lego bauen, obwohl die Steuererklärung ruft. Nicht den Abend noch vor dem Computer verbringen, sondern zusammen sein. Doch wir sind inzwischen so trainiert, dass wir oft nicht mehr sehen und hören, wann die Zeit gebraucht wird. Die Stimme in unserem Kopf ist laut. Die, die ruft: “Mach noch das und dieses und jenes. Dann hast du Zeit.” Doch das stimmt nicht. Dann ist schon wieder eine ganz andere Zeit und ganz andere Dinge “müssen” jetzt getan werden. 

Und so kommen wir zur dritten und finalen Antwort. Nun ist es eben kurz vor Weihnachten. Wir wissen, dass wir wieder mal zu wenig Zeit gemeinsam hatten. Das der oder die Andere sich mehr gewünscht hätte. Und dann ist da unser Wirtschaftssystem, welches uns in Fleisch und Blut über gegangen ist, und der Meinung ist alles(!) kann monetär erfasst werden. Auch “Güter” wie Liebe oder Zeit. Und dann suchen wir noch dieses und kaufen jenes, nur um dem irrigen Glauben aufzusitzen, dass wir uns Freikaufen können. 

Doch Liebe, wirkliche, echte, wahre, bedingungslose Liebe ist nicht käuflich. Sie ist da. 

Einfach so – rechnen, schreiben, lesen?

“Mama?, was ist zwei und zwei?”, fragt der Dezemberjunge und schaut sich seine Hände an. An beiden hat er zwei Finger ausgestreckt. Ich sage nichts. Ich konzentriere mich aufs Auto fahren und antworte dabei immer etwas langsamer. So beantwortet er seine Frage selber “Vier.” 

“Und drei und drei?-Mama?” “Schau es dir an”, antworte ich. Denn seine Hände zeigen wieder jeweils drei Finger. Und so kommt die Antwort ganz schnell von ihm. 

Es ist nicht das erste Mal, das er mit den Finger rechnet. Nicht immer verwendet er “und” also plus. Wir haben auch schon die 2er-Reihe bis fünf gehabt. Der Dezemberjunge fragte von sich aus “Was ist zwei mal zwei?” Nachdem er sich die Frage beantwortet hatte ging es weiter mit zwei mal drei, zwei mal vier und zwei mal fünf. Dann waren alle Finger aufgebraucht. So geht es oft beim Auto fahren, oder im Fahrradanhänger. Er zählt und entdeckt die Welt der Zahlen. Hausnummern zum Beispiel, sind wunderbar um Zehner zu lernen. Eine zwei und eine drei heißt 23. Das bereitet noch viel Kopfzerbrechen. Denn die zwei steht doch zu erst. 

  
“Mama eine Drei!!!”, ruft der Dezemberjunge und strahlt mich an. Im Sand hat er eine drei geschrieben. Es folgen noch weitere und er ist stolz, dass eines seiner selbstgemalten Zeichen eine Drei ist. 

Es passiert einfach so. Im Auto, beim Spazieren gehen, hier und dort, immer und überall und wir beobachten, begleiten und staunen. Denn viel ist es nicht was wir tun und doch eine Menge. Wir hören zu. Wir beantworten Fragen. Wir zeigen ihnen unsere Welt und sind an ihrer Welt interessiert. Es ist ein Geben und Nehmen. Keine Einbahnstraße. Lernen kann wechselseitig sein, in Beziehung und mit Vertrauen. 

Vertrauen in die jungen Menschen die wir begleiten. Vertrauen in mich. Vertrauen in uns. Wenn mir vertraut wird, entsteht ein Bewusstsein. Ich kann! Ich darf! So wie es für mich passt. Ich vertraue darauf, dass wir Menschen alles lernen können, was wir brauchen. Ohne Schule als Institution. Dieses Vertrauen spiegelt der Dezemberjunge, wenn er mir im Gespräch sagt: “Ich lerne ja auch Schnitzen ohne Schule. Und Französisch lerne ich gerade auch. Und Rechnen.” Ja, das und noch viel mehr. Denn da sind unendlich viele Fragen. Und wir suchen nach unendlich vielen Antworten. 

Von der lahmen Schnecke zum Techniker – wie Anderssein Alle bereichert 

  Heute beim Abholen erzählte mir die Bezugserzieherin des Dezemberjungen eine kleine Begebenheit aus dem Kinderhaus Alltag. Sie ist mit drei Kindern zum Moos sammeln für die Osternester gegangen. Unterwegs ging es dann los. Ein Kind sagte zum anderen “Du lahme Schnecke, lauf mal bisschen schneller.” Und “Mann der … Läuft immer so langsam” und und und. Das gab es schon öfters und auch ich hatte solche Situationen bereits bei meinen Elterndiensten. Der Junge, der nicht gerne so schnell läuft wie die anderen, läuft gerne und beständig und auch weite Strecken, aber in seinem Tempo. Dafür gehänselt zu werden ist nicht schön und kann Spuren hinter lassen. Nun, erzählte mir die Erzieherin, griff sie ein. Sie berichtete mir wie: Sie erzählte dem Jungen, der mit der Hänselei an fing “Weißt du warum … Nicht so schnell ist? Er ist ein Techniker. Er muss immer ganz viel nachdenken wenn er läuft und sich immer alles genau ansehen. Welche Autos lang fahren und was die machen, was die für Motoren haben und ganz viele andere Sachen.” Der Junge bekam große Augen und auch der andere Junge, der Techniker, begann zu nicken und stimmte dem zu und kam mit weiteren Dingen, die er beobachtet. Für den Moment war die Situation geklärt. Wie nachhaltig dieses “Einschreiten” der Erzieherin war, zeigt sich, an folgender Begebenheit. Die kleine Gruppe kommt wieder ins Kinderhaus zurück. Direkt geht der eine Junge zu den anderen Kindern und erzählt. “Wisst ihr was Kinder, … Ist ein Techniker. Darum läuft er nicht so schnell. Und das ist total gut. Er muss nämlich immer nachdenken.” Dabei sind seine Augen groß und leuchten und sind begeistert von dieser Erklärung. Jetzt ist es nicht mehr nur für ihn ge- und erklärt warum ein Junge langsamer läuft, sondern für alle. Und es wird von allen akzeptiert und respektiert. 

Ich bin unserer Erzieherin sehr dankbar. Den es ist der Dezemberjunge, der nicht so schnell läuft. Sie hat den Dezemberjungen genau erkannt und wahrgenommen und das für die anderen Kinder erklärt, sichtbar und verstehbar gemacht. So wird nicht auf den vermeintlichen Makel geschaut, sondern auf das, was dahinter liegt und etwas sehr wertvolles ist. So wird ein Anderssein nicht zur Last über die Zeit oder der Grund nicht dazu zugehören, sondern zu einer wertvollen Bereicherung für die gesamte Gruppe. Ich durfte auf dem Heimweg gleich eine Kostprobe von unserem Techniker bekommen. Wir gingen über die Neckarbrücke und er schaute sich sehr lange das Wasserkraftwerk an. Dann sagte er zu mir “Mama, ich möchte mir gerne mal ein Stromwerk ansehen.”

Ist eine Reise die Freiheit?

Schon seit einer Weile fallen mir mehr und mehr Familien auf. Sie gehen mit ihren Kindern in liebevolle Beziehung. Sie begleiten ihre Kinder beim sich frei entwickeln und kommen irgendwann an den Punkt, dass sie die Koffer packen und Reisen. Es scheint die Möglichkeit schlechthin zu sein, Kindern eine freie Emtwicklung zu ermöglichen. Und es scheint Freiheit pur zu sein. Nebenbei kann man der deutschen Anwesenheitspflicht in Schulen ausweichen, den Kindern noch länger ihre Freiheit geben. 
Freiheit. 

Warum strebt alle Welt nach Freiheit? Und vor allem nach welcher? Wir leben in einer Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. So können wir alles machen. Wir sind frei in unseren Entscheidungen. Wir können wohnen wo und wie wir wollen. Wir können essen was wir wollen. Wir können, dank des Internet, uns sämtliche Informationen (sinnvoll oder nicht sei dahin gestellt) beschaffen und auch arbeiten wo wir wollen. 

Grenzenlos.

So fühlt es sich an. Das wir irgendwann an Grenzen stoßen werden, kommt dann doch vor. Und grenzenlos ist nicht Freiheit. Doch welche Freiheit streben wir wirklich an? Frei sein bedeutet für mich genau mein Ding zu machen. Frei sein ist meinen Traum zu leben. Dazu muss ich bei mir sein und wissen was mein Traum eigentlich ist.  

 Zur Zeit leben wir in eine Wohnung in eine mir Kleinstadt. Wir haben einen Garten, nette Nachbarn, sichere Arbeit und im Großen und Ganzen geht es uns gut. Trotzdem fühle ich mich immer wieder unfrei, eingesperrt und gefangen. Dann möchte ich weg. Am liebsten würde ich dann direkt in ein Auto steigen, raus fahren und unterwegs sein. So kam auch bei uns die Idee einer Reise auf. Außerdem sind wir gerne unterwegs, neugierig und es gibt so viel zu entdecken. So fingen wir an zu planen. Wir bekamen grünes Licht vom Chef des Herzensmannes. Ein gutes halbes Jahr Frei-Zeit. Schnell waren da Ideen. Dahin und dorthin und am liebsten um die halbe Welt. Ruck zuck wurde aus der Frei-Zeit, durch organisierte Zeit. Es fühlte sich gar nicht stimmig an. Freiheit sieht doch anders aus. Oder? So überdachten wir. Verwarfen Pläne und überlegten uns neue. Weniger ist mehr. Doch dann fragten wir uns, was wollen wir wirklich? Schnell war klar, dass wir am Ende der Reise am gleichen Punkt stehen würden. Denn eigentlich wollen wir etwas ganz anderes. Unser Traum sieht anders aus. 

Freiheit heißt auch sich binden (können). Wir wollen einen Ort zum Leben. Einen Ort den wir gestalten können. Einen Ort an dem wir immer wieder heim kehren können. Ein Ort der uns ernährt, körperlich wie seelisch. Ein Ort an dem wir Sein können, Wurzeln schlagen und aufblühen. Wir sind keine Zugvögel. Wir brauchen eine Heimat. 

Für uns ist eine (Langzeit)Reise nicht die Freiheit. Denn unser Traum sieht anders aus. Und auch wenn es zur Zeit sehr viele Familien gibt die Reisen, und man das Gefühl bekommt, dass ist der richtige Weg. Muss jede Familie für sich allein ihren Weg finden. Denn es gibt nicht die eine perfekte Lebensweise. Und ich habe festgestellt, dass Freiheit nicht unbedingt etwas mit einem Ort oder eben keinem Ort zu tun hat. Freiheit ist ein Gefühl. Wir fühlen uns frei oder gefangen. Und so sind wir immer dann frei, wenn wir wir Sein dürfen, mit unseren Wünschen, Träumen und Hoffnungen. Wenn wir mit unseren Besonderheiten in Liebe angenommen werden von unserem Partner und von allen Mitmenschen. Frei sind wir, wenn wir Menschen sind. Und das gilt auch für unsere Kinder. 

Die Anderen

Ich schiebe den Dezemberjunge das letzte Stück des Weges. Er ist viel gelaufen. Es ist spät. Er ist müde. Es geht etwas den Berg hinauf. Uns kommt eine Familie entgegen. Die Kinder sind beide schon in der Schule. Vielleicht schon in der Weiterführenden? Ich kann das Alter schlecht schätzen. Der Vater sieht mich, schnaubt und schüttelt den Kopf. Diese Reaktion bringt mich direkt auf die Palme. 

“Was bildet der sich ein. Der hat doch keine Ahnung. Ich gehe auf die Bedürfnisse meines Kindes ein. Seine Kinder mussten wahrscheinlich immer laufen” und vieles mehr schießt mir sofort in den Kopf. Ich rufe ihm hinter her, dass der Dezemberjunge viel gelaufen ist. Ich bekomme ein “wahrscheinlich immer nur Berg ab” als Antwort zu hören. Auch jetzt während ich diese Worte schreibe, spüre ich die Wut in mir. Was bildet er sich eigentlich ein? Welches Recht hat er so über mich und mein Kind zu urteilen? Er kennt uns nicht. Wir haben uns an diesem Tag zufällig zwei Mal gesehen. Sie sind die Wanderung anders herum gelaufen. 

Er sieht uns und hat ein Bild im Kopf. Vergleicht dieses mit seiner Art Familie zu leben. Vielleicht sieht er deutliche Unterschiede und muss nun seine Art vor sich rechtfertigen. Vielleicht wurde er irgendwo tief in seinem Inneren berührt, weil er nicht so mit seinen Kindern umgegangen ist als sie in dem Alter waren. Vielleicht musste auch sein inneres Kind laufen, obwohl es nicht mehr konnte. Wer weiß? 

Mich hat diese Begegnung stark berührt. Diese Reaktion hat unmittelbar starke Gefühle in mir ausgelöst. Der Wunsch, akzeptiert zu sein, so wie ich bin und lebe, ist ein Bedürfnis, welches jeder Mensch hat. Beurteilt zu werden fühlt sich meist nicht gut an. Besonders dann, wenn man dabei erst mal nicht gut weg kommt. Urteilen ist immer mit einem negativen Touch versehen. Wenn dann noch eine Vorsilbe dazu kommt wie “be-” oder gar “ver-” wird es noch gravierender. Dabei haben wir kein Recht zu urteilen. Egal über was oder wen. Auch andere Formulierungen wie “sich ein Bild machen” vertuschen das negative nur noch mehr, letztendlich wird trotzdem geurteilt.  

 Wir können erleben, wie sich etwas anfühlt. Wir können Erfahrungen machen oder Menschen kennen lernen. Und dies alles mit Respekt dem gegenüber was wir erleben, erfahren und kennen lernen. Ganz ohne werten oder urteilen, denn alles hat seine Berechtigung. Schenken wir Menschen ein Lächeln, auch wenn sie es anders machen als wir. Respektieren wir sie, egal wer sie sind, woher sie kommen, wie alt sie sind und wie sie aussehen. Den im Grunde sind wir alle Menschen und allein das reicht aus um Ihnen mit Respekt zu begegnen. 

Die Welt braucht noch mehr Kinder die geborgen aufwachsen!

Wir waren wieder mit der Spielgruppe im Wald. Es sind wieder viele bekannte Eltern und Kinder. Das ist schön. Auch eine tolle Mutter war mit ihren nun zwei Kindern dabei. Im Herbst war das kleine Mädchen noch im Bauch. Ich staune über diese Zartheit und Winzigkeit von kleinen Babys. Sie ist noch keine 3 Monate alt. Sie ist friedlich angekuschelt an den vertrauten Mutterkörper und nur ganz selten kann man einen kleinen Blick auf diesen kleinen vollkommenen Mensch werfen. Staunend. 

“Und seid ihr schon ‘fertig’?” Werde ich gefragt, selten staune und bewundere ich kleine Menschen so. 

“Ich weiß nicht. Die Welt braucht noch mehr Menschen, die geborgen aufwachsen dürfen.” 

“Ja!” -Pause- “Da bekomme ich Gänsehaut.”

 Wie tief ist der Bach?  

#EINTAGOHNEMICH

#eintagohnemich ist eine Aktion zum internationalen Weltfrauentag am 8. April. Frauen sollen den Tag alle Arbeit, bezahlt und unbezahlt, nieder legen. Wie würde Mein Tag aussehen? 

Ich weiß es nicht. Aber es würde so einiges anders laufen. Heute wäre ich nicht mit dem Septembermädchen auf gestanden und aus Klo gegangen. Danach hätte ich ihr kein Frühstück gemacht. An den meisten Tagen macht das Frühstück der Herzensmann, denn er steht eher auf. Heute jedoch nicht. Ich hätte mich dann nicht darum gekümmert, dass die Kinder sich anziehen bzw ich sie anziehe. Ich hätte nicht die Essenssachen zusammen gepackt für das Kinderhaus kochen. Ich hätte nicht die Kinder ins Kinderhaus gebracht und für 17 Kinder und 4 Erwachsene gekocht. Wobei das Kinderhaus ohne Frauen wahrscheinlich geschlossen wäre, denn ein Betreuer auf 17 Kinder funktioniert nicht. Immerhin haben wir einen Betreuer! Ich hätte unsere Kinder nicht mit nach Hause genommen und keine Mittagspause nach den unterschiedlichen Bedürfnissen gemacht. Kein Vorlesen und kein Mittagsschlaf. Zwischen durch würde ich auch keine Gemüsekisten Bestellung machen. An einem Tag ohne mich würde ich kein Kaffetrinken machen, wenn das Septbermädchen auf gewacht ist. Ich würde nicht mit ihr Kuscheln bis sie wirklich wieder angekommen ist. Ich würde keine Nachmittagsaktivität durch führen. Das sind bei uns Waldausflüge, Spaziergänge, Gänge in die Bücherei, Treffen mit befreundeten Familien (meist aber Frauen mit ihren Kindern), Kinderchor, eventuell Besorgungen oder einfach nur Spielen. Ich würde nicht die kleinen und großen Emotionen auffangen und begleiten. Ich würde nicht die notwendigen Arbeiten im Haushalt erledigen und kein Abendessen kochen. Danach würde ich nicht die Kinder auf dem Weg ins Bett begleiten. Waschen, Zähne putzen, Gute Nacht Geschichte vorlesen und vom Tag erzählen. Je nach Tagessituation kommt in dieser Phase des Tages der Herzensmann nach Hause. Dann gehen wir ein Stück gemeinsam. 

Ein Tag ohne mich würde sicher funktionieren. Wie er auf Seiten des Herzensmannes aussehen würde? Ich kann nur mutmaßen. Hier würde sicher alles funktionieren. Der kleine Mann wäre im Kinderhaus und das Septembermädchen zu Hause. Er würde genauso ein bisschen Haushalt erledigen. Aber es gäbe keine Möglichkeit für ihn zu arbeiten. Er würde trotzdem versuchen ein oder mehr Telefonate zu führen und die ein oder andere Mail zu schreiben. Das würde wahrscheinlich zu Unzufriedenheit und Gereiztheit führen. Die Kinder würden in dieser Zeit irgendwelchen Quatsch machen (so wie jetzt). Also würde er sich dafür entscheiden es sein zu lassen. Was bedeutet, dass wir einen Einkommensausfall hätten. Am Abend würde der Herzensmann sich sehr nach Ruhe sehnen. Die Küche Küche sein lassen. Vielleicht beim ins Bett bringen sehr genervt sein. Und zwischendurch Tränen trocknen müssen. Denn beide Kinder können ohne mich, aber sie sind mich gewöhnt und fordern sehr bewusst auch meine Nähe ein, wenn sie die Wahlmöglichkeit haben. 

Ein Tag ohne Mich geht, aber wirklich lange funktioniert es wohl nicht. Und ich? Ich würde meine unbezahlte Arbeit vermissen, denn ich mache sie sehr gerne. Auch wenn ich mir wünsche, dass ich einen Teil zum Familieneinkommen beitragen könnte und dass die Familienaufgaben mehr verteilt wären. 

Wie sieht ein Tag ohne Dich aus? Was würde fehlen, wenn Du oder deine Partnerin die Arbeit niederlegst?