Eine Geschichte von Kirschen

Das Erntejahr beginnt nicht erst mit dem Abreifen und Pflücken der Früchte. Auch nicht irgendwann im Laufe der Sommermonate, wenn man den Früchten beim Wachsen zu schauen kann. Für uns beginnt das Hoffen und Bangen um die Ernte bereits im Frühling. Mit den ersten Blüten, die sich in den noch kalten Tagen zeigen, kommt bei uns die Vorfreude auf die Ernte. Wir beginnen abzuschätzen, ob es ein gutes Erntejahr wird und wir sehen uns schon die Früchte pflücken. Besonders auf die Kirschen freuen wir uns jedes Jahr sehr. Haben wir doch das Glück gleich drei grosse alte Kirschbäume auf der Wiese zu haben. Der Kirschbaum direkt am Haus blüht schon früh und hat auch schon Ende Mai die ersten Kirschen. Dieses Jahr konnten wir aus dem Bett heraus beobachten, wie sich Tag für Tag mehr Blüten öffneten. Es war herrlich. Doch es kam wie es kommen musste, eine Frostnacht reicht zu dieser Zeit und es ist hin mit der Blüte und der Ernte. Die Hoffnung war noch lange nicht erfroren. Haben wir doch noch zwei weitere Kirschbäume und fingen danach noch einmal Blüten an zu blühen, an eben jenem Baum am Haus. So ging der Frühling ins Land. Die Bäume bekamen ihr Laub und es sah erstmal alles gut aus.

Der Kirschbaum direkt am Haus in voller Blüte

Eines Tages kam der Herzensmann von einer Runde zurück und meinte, die Kirschbäume sehen aber gar nicht gut aus dieses Jahr. Mir war das bis dato noch gar nicht so richtig auf gefallen. Doch es stimmte, viele Kirschbäume hier in der Ecke hatten wenig Laub und sahen nahe zu abgestorben aus. Auch einer unserer Kirschbäume sah und sieht richtig schlecht aus. Auch an den anderen beiden sieht man diese kahlen Stellen, aber es sind nur vereinzelte Äste. Doch was man nicht sah waren kleine grüne Kirschen. So ahnten wir bereits, dass es wohl keine Kirschen geben würde dieses Jahr.

Ende Mai Anfang Juni sahen wir immer noch keine roten Kirschen. Die paar wenigen Kirschen, die wir nach langem suchen doch erspähten, waren sehr weit oben und nur sehr vereinzelt. Die Stare und andere Vögel würden sehr viel schneller bei den Kirschen sein als wir. Das war klar. Naja, man kann auch nicht alles haben dachten wir und versuchten uns mit einem kirschlosen Jahr abzufinden. So richtig gut gelang es uns nicht. Und so machten wir vor ein paar Tagen mal wieder eine Runde über unsere Wiese und begutachteten unsere Bäume. Der Baum am Haus hatte dieses Jahr Pause. Der Kirschbaum am Grenzstein, von dem wir auch schon sehr leckere und sehr viele Kirschen ernten durften, sah insgesamt nicht gut aus. Nur die Stammbildnerkirschsorte, die sich an manchen Stellen durch setzte mit ihren kleinen bitteren Früchten, machte einen guten Eindruck. Aber die Früchte sind klein, ach winzig, schlecht zu ernten und bitter. Und so schrieben wir das ganze schon ab, denn von unserem dritten Kirschbaum hatten wir noch nie Kirschen ernten können. Entweder waren es zu wenige am Baum, oder die Kirschen hatten alle irgendeine Krankheit. Ein Jahr kam natürlich im Juni richtig gut Regen und die Kirschen waren alle aufgeplatzt. Da macht das Ernten auch keinen Spaß.

Doch ein Blick wollten wir auch auf diesen Baum werfen. Auch hier war wenig zusehen. Grün soweit das Auge reicht, aber wir wollten doch rote Kirschen sehen. Obwohl da oben, wenn man da genau hinsah, dort hingen einige Äste voll. Naja, einige, sagen wir insgesamt fünf. Viele sind das nicht. Und ganz ehrlich, da hoch?!?, wie sollten wir das nun wieder schaffen? Nein, es wird wohl keine Kirschen geben.

„Ja, aber wenn ich mit der langen Astsäge..?“

„Nein, die reicht nicht. Wenn dann müsstest du auf eine Leiter und dann mit der langen Astsäge den Ast da oben erwischen. Ja, dass könnte gehen.“

Und so haben wir überlegt und heute hat es der Herzensmann ausprobiert. Irgendwann schallte mein Name über die Wiese.

„Ja!? Was gibt es?“

„Komm mal her und bring ein Korb mit!“

Und so haben wir nun doch noch Kirschen. So schnell sind die Kinder noch nie vom Schwimmen nachhause geflitzt. Schnell waren die ersten Kirschen in den Mund gesteckt und es wurden auch noch Ohrringe gefunden. Denn was ist schon eine Kirschenzeit ohne Kirschen an den Ohren? Und was haben wir für ein Glück, dass wir doch noch einen Korb Kirschen ernten konnten.