Heute beim Abholen erzählte mir die Bezugserzieherin des Dezemberjungen eine kleine Begebenheit aus dem Kinderhaus Alltag. Sie ist mit drei Kindern zum Moos sammeln für die Osternester gegangen. Unterwegs ging es dann los. Ein Kind sagte zum anderen “Du lahme Schnecke, lauf mal bisschen schneller.” Und “Mann der … Läuft immer so langsam” und und und. Das gab es schon öfters und auch ich hatte solche Situationen bereits bei meinen Elterndiensten. Der Junge, der nicht gerne so schnell läuft wie die anderen, läuft gerne und beständig und auch weite Strecken, aber in seinem Tempo. Dafür gehänselt zu werden ist nicht schön und kann Spuren hinter lassen. Nun, erzählte mir die Erzieherin, griff sie ein. Sie berichtete mir wie: Sie erzählte dem Jungen, der mit der Hänselei an fing “Weißt du warum … Nicht so schnell ist? Er ist ein Techniker. Er muss immer ganz viel nachdenken wenn er läuft und sich immer alles genau ansehen. Welche Autos lang fahren und was die machen, was die für Motoren haben und ganz viele andere Sachen.” Der Junge bekam große Augen und auch der andere Junge, der Techniker, begann zu nicken und stimmte dem zu und kam mit weiteren Dingen, die er beobachtet. Für den Moment war die Situation geklärt. Wie nachhaltig dieses “Einschreiten” der Erzieherin war, zeigt sich, an folgender Begebenheit. Die kleine Gruppe kommt wieder ins Kinderhaus zurück. Direkt geht der eine Junge zu den anderen Kindern und erzählt. “Wisst ihr was Kinder, … Ist ein Techniker. Darum läuft er nicht so schnell. Und das ist total gut. Er muss nämlich immer nachdenken.” Dabei sind seine Augen groß und leuchten und sind begeistert von dieser Erklärung. Jetzt ist es nicht mehr nur für ihn ge- und erklärt warum ein Junge langsamer läuft, sondern für alle. Und es wird von allen akzeptiert und respektiert.
Ich bin unserer Erzieherin sehr dankbar. Den es ist der Dezemberjunge, der nicht so schnell läuft. Sie hat den Dezemberjungen genau erkannt und wahrgenommen und das für die anderen Kinder erklärt, sichtbar und verstehbar gemacht. So wird nicht auf den vermeintlichen Makel geschaut, sondern auf das, was dahinter liegt und etwas sehr wertvolles ist. So wird ein Anderssein nicht zur Last über die Zeit oder der Grund nicht dazu zugehören, sondern zu einer wertvollen Bereicherung für die gesamte Gruppe. Ich durfte auf dem Heimweg gleich eine Kostprobe von unserem Techniker bekommen. Wir gingen über die Neckarbrücke und er schaute sich sehr lange das Wasserkraftwerk an. Dann sagte er zu mir “Mama, ich möchte mir gerne mal ein Stromwerk ansehen.”