Der kleine Mann und der Dezemberjunge

Manchmal merkt man, dass etwas nicht mehr passt. Wie ein Mantel, der nicht mehr zum Stil passt, zu weit oder zu eng geworden ist. So geht es mir schon lange mit dem “kleinen Mann”. Denn klein ist er mit seinen 4 Jahren nicht mehr, dass darf ich jeden Tag in Gesprächen und Handlungen feststellen. Und so rumort es seit einer Weile in mir herum. Welcher Name könnte (länger) passen? Und kann ich einen Namen überhaupt ablegen wie einen zu klein gewordenen Mantel? 

Manchmal schon. Dann wen es überhaupt nicht mehr passt und man sich nicht mehr wohlfühlt dabei. Und so habe ich einen neuen Namen, natürlich nur hier auf dem Blog. Der kleine Mann wird zum Dezemberjunge. Das passt für mich sehr gut und natürlich auch zum Septembermädchen.  

Der Dezemberjunge beim Staubsaugen

“Wir sollten ein elektrisches Auto haben!”

Ich liege noch im Bett. Der Herzensmann und die Kinder schauen irgendein Film auf dem Handy an. Ich höre, wie sie über den Mars reden. Die anderen Planeten kommen auch dazu. Irgendwie erzählt der Herzensmann von Elon Musk. Auf jeden Fall reden sie kurze Zeit später über Elektroautos. 

Dann sagt der kleine Mann: “Wir haben ein Auto mit Abgasen. Wir sollten ein elektrisches Auto haben!”

Tja, manchmal ist es so einfach. Manchmal braucht es ein Kind, damit wir Erwachsenen sehen, wie einfach es ist. Unser nächstes Auto (wir haben einen Firmenwagen, der regelmäßig gewechselt werden muss) wird wohl ein Elektroauto sein. Das ist jetzt klar. 

4 Jahre! Alles Gute!

  
Vor vier Jahren um 6:56 Uhr kamst du zur Welt. Heute war es 6:15 Uhr, als du aufgewacht bist. Voller Neugier und Aufregung. Ob die Fußballer schon auf dem Kuchen sind, war deine erste Frage. Schon seit September wünscht du dir einen Geburtstagskuchen mit Fußballern.   

  Wie schön es ist, dass du bei uns bist!
Alles Gute zum 4. Geburtstag, kleiner Mann!

“Warst du dann ein Mann?”

“Was gibt es heute?”

“Shepherds Pie. Das ist englisch und heißt Schafhirten Kuchen.” 

“Das ist ja lustig”

“Das kommt aus Irland. Da hab ich mal gewohnt und gearbeitet. Und da gab es dass ab und zu.” 

“Warst du dann ein Mann?”

“Ne, da war ich ne Frau. Auch Frauen arbeiten, jetzt arbeite ich ja auch. Ich kümmere mich um euch.”

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Das Gespräch mit dem kleinen Mann geht mir lange nach. Für ihn arbeiten also nur Männer. Denn genau das ist es, was er erlebt, was er sieht. Bei allen unseren Bekanntschaften arbeiten die Männer. Die Frauen vereinbaren Arbeit und Familie. Versuchen es, oder haben sich dafür entschieden zu Hause zu bleiben. Sie übernehmen gewollt oder aus Gründen den Hauptteil der Familienarbeit. Das diese oft nicht als Arbeit betrachtet wird, ist nicht korrekt. Und so war mir mein Nachsatz sehr wichtig. Ich arbeite auch. Ich fahre nicht auf Arbeit oder ins Büro. Aber ich arbeite. Und ich mag meine Arbeit. Sie bringt mich an meine Grenzen, sie fordert mich und sie bereitet mir viele unvergessliche und glückliche Momente. Und diese Anerkennung meiner tagtäglichen Aufgaben als Arbeit kommt zu allererst von mir. Auch der Herzensmann erkennt meine Leistung an, so wie ich seine Arbeit anerkenne. Und so möchte ich es auch meinen Kindern vermitteln. Für eine größere Anerkennung der Familienarbeit. 

“Ich geb das dann an die Leiterin weiter”

Wieder ein Kongress. Wieder Online. Wieder geht es ums Kind. Und man stellt schnell fest alles hängt mit einander zusammen. Der “Beziehung statt Erziehung” Kongress ist wieder ein wunderbarer Input. Ich picke mir hier und da etwas raus. Schaue mir die Interviews komplett an oder spule vor. So wie es mir passt. Gestern Abend gab es mehrere wunderbare Interviews. Eins davon war das Gespräch mit Hans-Joachim Maaz. Es war wunderbar anregend, informativ und bestärkend. Er sagte unter anderem, das aus psychoanalytischer Sicht Kinder unter drei bei der leiblichen Mutter sein sollen, dann können sie sich am Besten entwickeln. Aussagen wie diese und andere bestärken mich ungemein. Mein Bauch sagt mir das Gleiche und es tut gut es auch von anderen zu hören. Aus diesem Grund ist das Septembermädchen auch wieder zu Hause. Seit Anfang Mai machen wir alles gemeinsam. Ich vermisse es nicht sie jeden Morgen weg zu bringen. Ich habe sie gerne um mich. 

Nicht immer ist alles einfach. Wir lernen noch. Zum Beispiel mein regelmäßiger Putztag. Das Septembermädchen putzt gerne mit. Auch das ist kein Problem. Sie holt sich selbständig einen Lappen und macht ihn nass. Was?! Nass?! Woher hat sie das Wasser? Ich ahne es schnell und finde es nicht mehr ganz so toll, dass sie mir hilft. Sie tapst zum Klo, taucht tief ein und schon hat sie ihren Wischlappen nass gemacht. Also schnell alles halbwegs in Ordnung bringen, Klotür wieder zu und weiter geht’s. Aufräumen, Staubsaugen und auch Bad und Klo sind bald gemacht. Das Wetter ist schön und so kann ich sie in den Garten entlassen, während ich noch schnell wische. Es geht also. Heute haben wir das ganze dann mit zwei Kindern getestet. Auch das geht. 

Zurück zu dem Interview gestern Abend. Eine schöne Formulierung war auch “Kindergärten, die zu pädagogisch sind”. Gleich hatte ich unseren im Kopf. Noch. Denn wir haben einen Neuen gefunden. Ab Juli wird es also wieder spannend. Wird sich etwas ändern? Wie werden wir uns da einfinden? Fragen. Doch ich bin entspannt. Ich habe ein gutes Gefühl und nur das zählt. Bis dahin ist der kleine Mann viel zu Hause. Im Moment sind Kindergartenferien, danach fahren wir in den Urlaub und dann sind es nur noch zwei Wochen. Den Kindergarten vermisst er nicht. Er sagt gerade jeden Morgen, “Ich will nicht in Kindergarten gehen!” Das freie Kinderhaus, wo er ab Juli hin gehen darf, erwähnt er allerdings oft.

Ja, und das beste Beispiel wie Beziehung nicht geht, liefert mir auch unser alter Kindergarten. Beim abgeben der Abmeldung meint die Bezugserzieherin vom kleinen Mann nur: “Ich geb das dann an die Leiterin weiter.” Punkt. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. 

Kleiner Spaziergang

   
Herz erwärmend, immer wieder. Ich finde es so schön, das nun beide Kinder regelmäßig länger werdende Strecken laufen. 

  “Mama, ein Wildschwein!” “Wo?” “Da am Haus!” “Wo denn?” “Na da oben!” “Ich kann keins sehen.” “Ein Stück zurück Mama. Da!” “Ja stimmt.” Eine kleine Konversation, die mich Staunen lässt. Das Vordach hat das Schwein verdeckt. Und als der kleine Mann merkte, dass ich es nicht sehen konnte, begriff er, dass ich noch mal zurück gehen muss. Wenige Schritte. Dann sah ich es. Ich finde es immer wieder erstaunlich was er alles registriert, wahrnimmt und entdeckt in seiner Umwelt.   
Diverse Spielplatzstops waren auch dabei. Nicht immer nur für die Kinder. 

 Beine baumeln lassen und grade so über die Tischkante gucken. Herrlich!

Auszeit

Manchmal ist es einfach zu viel. Dann hilft auch keine Mittagspause, denn der kleine Mann kommt nicht zur Ruhe. Nach einer guten dreiviertel Stunde brüllen hilft nur eins: auf den Rücken und raus. Schon beim Anziehen wird er ruhiger. Draußen muss er noch erzählen was er sieht. Doch bald wird es weniger. Nach wenigen Metern ist er eingeschlafen. 

Pause.  

 

Sehnsucht und Herzschmerz

Gerade haben wir noch ein bisschen vorgelesen. Nun klettern beide die Leiter hinauf. Ich lege das Buch weg. Das Septembermädchen schreit. Klare Ansagen meinerseits folgen. Der kleine Mann weigert sich noch etwas und ich mache das Licht aus. Nun legt er sich doch hin. Ich möchte anfangen das Gute-Nacht-Lied singen, prompt klappert es im Flur. Der Herzensmann kommt nach Hause. Ich halte beide Kinder im Bett. Mit dem Septembermädchen recht einfach. Doch der kleine Mann wollte unbedingt zum Papa. Als dieser kam drehte er sich weg und weigert sich “Hallo” zu sagen. Also ging der Herzensmann um sich aus den Arbeitsklamotten raus in bequeme Kleidung rein zu begeben. Als er wieder kam hatte ich den kleinen Mann auf dem Arm zum trösten. Denn er wollte eigentlich zu Papa. Doch als dieser die Arme ausstreckte, schlug der kleine Mann zu. 

Zwei Stunden später wacht der kleine Mann schreiend auf. Er drückt sich durch. Geht die Wände hoch. Dreht durch. Irgendwann will er auf meinen Arm. Dort schnauft er kurz durch. Lehnt sich an. Wieder durch drücken, schreien. Zwischendurch geht der Herzensmann aus dem Zimmer. Der kleine Mann will zu Papa. Also gehen wir hinter her. Doch bei ihm, will der kleine Mann nicht zu ihm. Auf meinen Arm. Anlehnen. Ich spreche aus was ihn bedrückt. Dabei ist er ganz ruhig, hört mir zu. Ich spreche das Richtige aus. Dann möchte er wieder ins Bett. 

Viel mehr möchte und muss ich nicht dazu schreiben. Sehnsucht und Herzschmerz. Der kleine Mann vermisst den Papa. Sehr. Aber er ist auch sauer. Sauer auf ihn, dass er jeden Tag geht. Noch einen Tag. Dann sind erstmal Ferien. Durch schnaufen. Auftanken. Zeit haben. 

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Nachtrag: Worüber der ein oder anderen seine ganz eigene Meinung haben kann. Ja der kleine Mann hat geschlagen und es ist nicht das erste Mal. Auch schlagen gehört wie beißen oder treten zu Kommunikationsformen. Extremen Kommunikationsformen. Doch manchmal weiß ein kleines Kind nicht sich auszudrücken. Dann nimmt es diese Art. Pure Emotion. 

Kurz mit Herz

Heute Morgen. Wir kuscheln noch kurz im Bett bevor der Alltag über uns herfällt und uns mit sich reißt. Das Septembermädchen klettert im Bett rum, macht sich zum Nachttisch auf und spielt an der Lanpe rum. 

Kleiner Mann: “Vorsichd, des is heiß.”
Septembermädchen: “fff, ffffff, fffff”
Kleiner Mann: “Des geht nich kühler!”

Mit einem breiten Lächeln starteten wir in den Tag.