Sommerferien

Als Schulkind war es eine besondere Zeit. Man war frei. Am Anfang der Ferien schien sie endlos zu sein. Ewig. Endlich machen was man wollte, den ganzen Tag lang. Mehr oder weniger. Ab und an ein bisschen helfen hier und da. Meistens machte das aber auch Spaß. Zumindest in der Erinnerung. In diesen Wochen beginnen sie wieder. Die Sommerferien. Bei uns sind es noch ein zwei Wochen. So genau weiß ich das nie. Noch sind die Kinder keine Schulkinder. Erst dann kenne ich die Ferienzeiten wieder. 

Obwohl. Ferien habe ich gerade auch. Es fühlt sich so an. In den letzten Tagen habe ich mal wieder gelesen. So richtig. Mit ins Buch versinken und eine ganze Weile nicht weg legen können. Mit Spaziergängen am Vormittag. Nur das Septembermädchen und ich. Mit faulen Nachmittagen im Garten. Mal mit und mal ohne Besuch. Immer mit Wasser und ganz viel Obst. Ferien mit Nichts tun. Denn Lust und Laune Projekten folgen können. Die Freude der ersten gestrickten Reihen eines neuen kleinen Projektchens ganz aufsaugen. 

Ja! Ferien! Und Leben denn das steht nicht still. Trotzdem wird die Wäsche gewaschen, gekocht, Sandspuren weg gesaugt und immer wieder aufgeräumt. Es werden Termine vereinbart und wahr genommen, eingekauft und was man sonst als Mutter den lieben langen Tag so machen muss, will und darf. Das genieße ich gerade sehr. Besonders weil immer wieder kleine Inseln für mich auftauchen. Wahres Sommer-Ferien-Leben. 

Nachtrag

Das Septembermädchen schläft in der Trage. Schon beim Frühstück war sie wieder müde. Eher als sonst. Der kleine Mann darf mit seinen Windpocken zu Hause bleiben und streunt durch unseren und Nachbars Garten. Ich räume ein bisschen auf. Möchte dann kurz nach dem kleinen Mann sehen, bevor ich das schlafende heiße Bündel Mensch von meinem Bauch binden und ins Bett legen möchte. Bei Nachbars im Garten wird das Septembermädchen wieder wach. Sie ist nicht ausgeschlafen. Wurde geweckt von den Bauarbeiten, die den kleinen Mann magisch anziehen. Er jammert, dass seine Füße piksen. Dann muss er Schuhe anziehen. Doch laufen kann er nicht. Also nehme ich ihn kurz auf den Arm. Nur bis zu uns auf die Terrasse. Als ich den kleinen Mann absetze geht es los. Das Septembermädchen fängt an zu zucken. Nur kurz. Ich bekomme Angst. Hole sie schnell aus der Trage raus. Rufe dem kleinen Mann zu, er solle im Lesezimmer auf mich warten. Bin nun mit ihr im Schlafzimmer. Sie krampft und krampft. Die Augen verdrehen sich. Ich versuche sie zu beruhigen. Kann nur zusehen. Warten. Hilflos. Ich habe Angst um dieses Kind. Mein Kind. Sie krampft nicht mehr. Ist neben sich. Außer sich. Weint und weint und weint. 

Ein Fieberkrampf. Das war mir irgendwie klar. Unsere Nachbarin erklärte mir auch das es nichts schlimmes ist und wie ich vorgehen sollte. Hausarzt anrufen. Ich brauche jetzt nicht mehr ins Krankenhaus. Nur bei einem Zweiten. Dann. Der zweite kam. Kurz nach dem Vormittagsschläfchen. So landeten wir am Dienstag im Krankenhaus. Ich war fertig. Die Aufnahme wurde gemacht. Die Untersuchungen folgten. Am Abend hielt ich ein kleines erschöpftes Menschlein auf dem Arm. Sie war so durch. Mit dem Abend kam die Ruhe. Es wurde leiser. Die Nachtschwester kam. Und ich kam langsam wieder zu mir. Ich wusste wir sind hier falsch. Die Ursache der Krämpfe würden wir hier nicht finden. Sie liegen in unserer Vergangenheit. Die Nacht war unruhig für mich. Immer wenn das Septembermädchen unruhiger wurde, kam die Schwester und maß Temperatur. “Unruhige Herztöne können ein Hinweis darauf sein, dass das Fieber wieder steigt”, sagte sie mir. Doch das Fieber stieg nicht. Das Septembermädchen bekam nur Hunger, verarbeitete den Tag im Traum oder musste mal pullern. Am nächsten Morgen sahen die Windpocken deutlicher. Bei ihr am Knie. Wir vereinbaren noch ein EEG, aber das fällt aus, aufgrund eines Notfalls. So dürfen wir wieder nach Hause. Erst hier können die Emotionen raus. Ich merke in den darauffolgenden Tagen wie sehr mich das alles mit genommen hat. Es beschäftigt mich. Sehr. 

Inzwischen haben wir wieder normale Tage hinter uns. Die Windpocken fliegen wieder davon. Alles ist wieder gut. 

Opfer und Täter

Es gibt diese Geschichten. Dieses und jenes Kind hatte bereits diese und jene Untersuchung, Operation und was weiß ich. Oft denkt man die Armen. Meist klingt es plausibel warum das alles notwendig war. Doch ist es das wirklich? Wie kommt es dazu? 

Es gibt Situationen, die möchte man nicht. Nein, sie möchte man nie nie nie. Trotzdem erlebt man sie. In diesem Moment ist da Angst und Hilflosigkeit und Angst, Angst, Angst. Kurz danach beruhigt man sich. Handelt. Denkt nun ist es gut. Dann noch einmal. Diese Situation. Die Angst kommt wieder und bleibt. Ferngesteuert geht man die nächsten Schritte. Sucht Hilfe, Antworten. Dann kommen Menschen mit weißen Mänteln. Sie helfen und wissen was zu tun ist. Sie machen und fragen. Man selber ist klein. So klein. Weit weg die innere Sicherheit, die Klarheit was gut ist, wie weit man diesen Weg geht. Den Weg der scheinbaren Wahrheit. Doch steckt die Wahrheit in Zahlen? Oder braucht es viel mehr? Anderes?

Am Ende geht man gesund. So sagen die Zahlen. Am Ende bleiben wir. Zerrissen. Kaputt. Belastet und Schuldig. Als Opfer und Täter. Die Anderen desinfizieren sich frei. 

Sommer konservieren

Auch wenn man es sich dieser Tage kaum vorstellen kann, irgendwann kommt wieder nicht so schönes Wetter. Es wird grau und trüb. Wie schön wäre es dann, einfach ein Glas Sommer öffnen zu können. Um nur kurz den Geruch, Geschmack und das Gefühl wieder zu haben wie es jetzt ist.  

Damit wir wenigstens ein klein bisschen Sommer mit übers Jahr mit nehmen können, war ich die letzten Tage beschäftigt. Sehr. Trotz Hitze habe ich gekocht und nun den Schrank wieder voll. Voll mit dem Geschmack vom Sommer. Johannisbeeren, Erdbeeren, Himbeeren, Sauerkirschen. Leckere Marmelade, die uns so manchen Tag versüßen wird.  

   

“Mama, Aua!”

Ein “Aua” höre ich hier regelmäßig. Jeden Tag. Mehrmals. Mal hat sich der kleine Mann gestoßen, oder es pikst beim barfuß Laufen. Dann war mal wieder eine Biene oder Hummel im Weg, die Ameisen piesacken oder man ist vor lauter Müdigkeit gestolpert. Heute Morgen jedoch war von alledem nichts und trotzdem klagte er. Wollte nicht laufen. Die Füße taten weh. Nur auf Zehenspitzen stolzierte er vorsichtig. Bis wir Schuhe anzogen. Das ist seltsam. Denn der kleine Mann wehrt sich sonst oft gegen Schuhe. Zieht sie selber wieder aus und möchte nur barfuß Laufen. Aus Neugier habe ich ihn an die Messlatte am Türpfosten gestellt. Ich ahnte es schon. Gewachsen. Deutlich. Das ist nichts Neues bei Kindern. Sie wachsen und wachsen immer zu. Mal mehr und mal weniger. Auch der große Hunger heute Morgen deutete darauf hin. Und die Füße wachsen gerade scheinbar mit. Ich kann mich noch gut an die Wachstumsschmerzen in den Beinen erinnern. Da muss der kleine Mann nun leider auch durch. Und es gibt nichts was man gegen Wachstumsschmerzen machen kann. Naja ein bisschen schon. Lieb haben, kuscheln und Ablenkung. Mal sehen. Was mir da für heute Nachmittag Schönes einfällt.

Heute

Zeitig sind die Kinder wach. Es ist kühl und angenehm draußen. In Ruhe räume ich die Wohnung auf. Die Kinder spielen gemeinsam. Donnerstags kommt hier die Hausfee. Darum verlassen wir zu dritt das Haus. Heute sind wir schon eher fertig. Der kleine Mann spielt schon ein bisschen im Garten. Die Kreide wird ausgeräumt. In der Sonne ist es bereits sehr warm. Dabei ist es erst um neun. Die Wohnung ist schon gut gelüftet und abgedunkelt. Die Kühle halten. Wir radeln auf den Markt. Kaufen Gemüse für Salat und Aprikosen. Unterwegs treffen wir eine Freundin mit ihren zwei jeweils etwas jüngeren Kindern. Dann noch zum Stand vom Erdbeerbauern Marmeladenerdbeeren kaufen. Nun sausen wir den kleinen Berg wieder hinunter auf ins Café. Der Mutter-Kind-Treff in angenehmer Atmosphäre mit lauter tollen Müttern und Spielkameraden für den kleinen Mann. Ein Stündchen sitzen wir beisammen, tauschen uns aus über dies und das, bestaunen unsere Kinder. Dann sammel ich meine zwei wieder ein. Schnell radeln wir nach Hause. Gerade pünktlich zum Verabschieden der Hausfee. Das Septembermädchen hat den Vormittagsschlaf vor lauter Aufregung ausfallen lassen. So schläft sie nun schnell ein. Der kleine Mann spielt ein bisschen während ich einen kleinen Snack zusammen stelle. Dann verziehen auch wir uns in die kühle Ruhe der Wohnung. Nach einer Geschichte und kurzem Theater schläft der kleine Mann doch ein. 

Pause. 

Auch für mich. 

Gegen zwei werden beide wieder wach. Wir essen etwas Obst und spielen drinnen. Der kleine Mann puzzelt. Das Septembermädchen krabbelt kreuz und quer darüber und versucht die Teile zu verkosten. Dann wird noch das Schaukelpferd ausprobiert. Auch beide gemeinsam passen rein und haben einen Heidenspaß. Da wir am Abend Besuch bekommen und Grillen möchten, machen wir uns auf zum Einkaufen. Der kleine Mann wünscht sich den Kinderwagen bzw. für ihn das Rollbrett. Als wir raus kommen erschlägt mich die Hitze. Doch wir sind noch im Schatten das Hauses. Als wir um die Ecke kommen brüten wir in der Sonne. So schnell wie möglich bei der Hitze gehen wir die Straße runter. Schnell in den Laden rein. Kühle. Wir kaufen Wassermelone, Gelierzucker und “Fleisch von der Kuh” wie der kleine Mann wünscht. Dann empfängt uns die Hitze wieder. Die Wassermelone wird direkt gegessen. Die klebrigen Kinder können sich danach im Wasser abkühlen und sauber machen. Eine wilde Spritzschlacht liefert sich der kleine Mann mit mir. Auch die Nachbarskinder hören wir draußen spielen und der kleine Mann möchte direkt gucken gehen. So stiefeln wir durch die Hecke und sind noch eine kurze Weile bei Nachbars. Gegen halb sechs machen wir uns auf den Rückweg. Abendbrot vorbereiten. Der Herzensmann wollte eher kommen. Am Ende ist doch wieder alles anders. So mache ich die Kinder bettfertig. Gerade als wir mit Waschen fertig sind klappert der Schlüssel im Schloss. Die Kindergesichter strahlen. Kurz danach kommt der Besuch und es ist Bettgehzeit. Wir immer ganz ungünstig zusammen gelegt. Das Septembermädchen schläft schnell ein. So löse ich den Herzensmann beim kleinen Mann ab, damit er die Zeit für seinen Besuch hat. Nach kurzer Zeit meldet sich das Septembermädchen wieder. So wandere ich wieder zurück. Irgendwann hat sie es auch geschafft. Der Tag war einfach zu aufregend und mit zu wenig Schlaf. Bei mir meldet sich der Hunger und so bin ich froh, dass alles fertig gegrillt wurde. Der Rest des Tages ist den kühler werdenden Abend genießen.