Die Anderen

Ich schiebe den Dezemberjunge das letzte Stück des Weges. Er ist viel gelaufen. Es ist spät. Er ist müde. Es geht etwas den Berg hinauf. Uns kommt eine Familie entgegen. Die Kinder sind beide schon in der Schule. Vielleicht schon in der Weiterführenden? Ich kann das Alter schlecht schätzen. Der Vater sieht mich, schnaubt und schüttelt den Kopf. Diese Reaktion bringt mich direkt auf die Palme. 

“Was bildet der sich ein. Der hat doch keine Ahnung. Ich gehe auf die Bedürfnisse meines Kindes ein. Seine Kinder mussten wahrscheinlich immer laufen” und vieles mehr schießt mir sofort in den Kopf. Ich rufe ihm hinter her, dass der Dezemberjunge viel gelaufen ist. Ich bekomme ein “wahrscheinlich immer nur Berg ab” als Antwort zu hören. Auch jetzt während ich diese Worte schreibe, spüre ich die Wut in mir. Was bildet er sich eigentlich ein? Welches Recht hat er so über mich und mein Kind zu urteilen? Er kennt uns nicht. Wir haben uns an diesem Tag zufällig zwei Mal gesehen. Sie sind die Wanderung anders herum gelaufen. 

Er sieht uns und hat ein Bild im Kopf. Vergleicht dieses mit seiner Art Familie zu leben. Vielleicht sieht er deutliche Unterschiede und muss nun seine Art vor sich rechtfertigen. Vielleicht wurde er irgendwo tief in seinem Inneren berührt, weil er nicht so mit seinen Kindern umgegangen ist als sie in dem Alter waren. Vielleicht musste auch sein inneres Kind laufen, obwohl es nicht mehr konnte. Wer weiß? 

Mich hat diese Begegnung stark berührt. Diese Reaktion hat unmittelbar starke Gefühle in mir ausgelöst. Der Wunsch, akzeptiert zu sein, so wie ich bin und lebe, ist ein Bedürfnis, welches jeder Mensch hat. Beurteilt zu werden fühlt sich meist nicht gut an. Besonders dann, wenn man dabei erst mal nicht gut weg kommt. Urteilen ist immer mit einem negativen Touch versehen. Wenn dann noch eine Vorsilbe dazu kommt wie “be-” oder gar “ver-” wird es noch gravierender. Dabei haben wir kein Recht zu urteilen. Egal über was oder wen. Auch andere Formulierungen wie “sich ein Bild machen” vertuschen das negative nur noch mehr, letztendlich wird trotzdem geurteilt.  

 Wir können erleben, wie sich etwas anfühlt. Wir können Erfahrungen machen oder Menschen kennen lernen. Und dies alles mit Respekt dem gegenüber was wir erleben, erfahren und kennen lernen. Ganz ohne werten oder urteilen, denn alles hat seine Berechtigung. Schenken wir Menschen ein Lächeln, auch wenn sie es anders machen als wir. Respektieren wir sie, egal wer sie sind, woher sie kommen, wie alt sie sind und wie sie aussehen. Den im Grunde sind wir alle Menschen und allein das reicht aus um Ihnen mit Respekt zu begegnen. 

Nicht perfekt, aber wunderschön 

Es ist halb neun. Endlich schlafen die Kinder. Nachdem wir noch einmal rumgealbert haben, weil wir das alle brauchten. Dann irgendwie die Kurve bekommen haben und der kleine Mann noch mal aus dem Zimmer musste, denn er konnte noch nicht ruhig sein und musste noch zappeln. Das Septembermädchen so aber nicht zur Ruhe kam. Der Herzensmann ist auch gleich mit eingeschlafen. Ich könnte jetzt die Küche aufräumen. Oder das Wohnzimmer, in dem die Spielsachen explosionsartig verteilt liegen. 

Ich lasse es. 

Heute nicht mehr. Vielleicht morgen. Vielleicht. Stattdessen freue ich mich daran, dass wir das Kinderzimmer etwas umgestaltet haben und das Bad halbwegs ordentlich ist. Das wir einen guten Tag hatten heute. Ja, er war schön. Die Kinder haben regelmäßig gestritten. Ich war genervt. Genervt, dass es schon wieder Gebrüll in den Ohren gab. Dass der kleine Mann sich nicht anzieht, statt dessen mich beschimpft. Das das Septembermädchen einen Wutanfall hat wegen einem Rucksack. Um eine kleine Auswahl zu nennen. Und trotzdem war unser Tag heute schön. 

Es gab sehr viele schöne Momente. Manche Wutanfälle und Streitigkeiten habe ich weggelächelt. Andere eher nicht. Am Ende des Tages bin ich zufrieden. Dankbar für meine zwei Kinder, die mir so viel zeigen. Durch die ich schon so viel gelernt habe. Dankbar für die Dinge, die nun in der Wohnung verteilt rumliegen. Auch wenn es an mancher Stelle etwas mehr als nötig sind. Dankbar für das dreckige Geschirr in der Küche, denn es zeigt, dass wir zu essen haben. 

Es ist nicht alles perfekt. Soll es auch nicht sein. Und wir können uns das Leben so gestalten wie wir es wollen. Wir können es uns schwer und stressig machen, in dem wir die perfekte Magazinwohnung haben in der alles aufgeräumt und sauber ist. In dem wir uns ständig das Gefühl vermitteln, nicht gut genug zu sein. Oder wir können akzeptieren, dass wir so sind, wie wir sind. Dass die Wohnung nicht perfekt sein muss und auch mal etwas liegen bleiben darf. Und wir können etwas ändern und unser Leben so gestalten wie wir es uns wünschen. Wir können daran arbeiten, die Mutter zu werden, die wir sein wollen. 

Wir sind die Gestalter unseres Lebens. Macht es Euch so, wie Ihr es wollt. Seid zufrieden, denn ihr macht das toll!


Für alle Mütter und Väter. Für Euch ihr lieben Mütter aus “meinem” Elterncafé: Ihr seid toll. Danke das ihr da seid.