Nur eine Frage?!

Ein kleiner Moment. Vielleicht auch nur ein klitzekleiner. Aber einer, bei dem ich staune und dankbar bin. Darum möchte ich ihn teilen und festhalten, denn gerade diese kleinen Momente verlieren wir so schnell im Alltagsgewühl. Dabei sind sie es die uns Dankbar machen und Glück bedeuten. 

Am Anfang steht allerdings eine Morgen mit Bauchschmerzen und dem Gefühl gleich, ganz gleich, ganz schnell aufs Klo rennen zu müssen. Ihr versteht sicher was ich meine. Eine Rückfütterung quasi, wobei da nur das Gefühl war. So lag ich im Bett und fragte mich, wie ich nun mit diesem Bauchschmerz und diesem Gefühl das Mittagessen bereiten sollte. Denn ich hatte mich in der Ferienkochliste für diesen Tag eingetragen. 

Nach dem ich noch etwas länger im Bett liegen geblieben bin und auch eine Tasse Fencheltee getrunken hatte, ging es nicht wirklich besser. So rief ich eine Freundin an, die für mich kochte und auch beide Kinder ins Kinderhaus brachte. Dem Vormittag verbrachte ich komplett im Bett. Immerhin konnte ich die Kinder nach dem Mittag abholen. 

Am nächsten Tag ging es erstaunlicherweise schon wieder viel besser. Wir saßen am Frühstückstisch. Jeder aß sein gewünschtes Frühstück. Während ich so vor mich hin mein Haferbrei aß und an den bevorstehenden Erntetag dachte, fragte mich plötzlich das Septembermädchen: “Und wie geht es deinem Bauch, Mama?”

Ich war kurz überrascht. So viel Anteilnahme und Empathie steckte in dieser kleinen Frage. Das sie daran noch dachte! Ich dankte ihr, dass sie mich gefragt hat und erklärte, dass er schon wieder viel besser sei. Eine kleine Frage. Und doch geht mir dieser Moment immer wieder durch den Kopf. Mit Dankbarkeit im Herzen und einem Lächeln auf den Lippen, denn das zaubert mir dieser kleine Moment. Ein Moment voller Liebe und Achtsamkeit. 

Von Trösten und Liebe

Unsere Kinder müssen nicht abgehärtet werden. Sie brauchen keine Sprüche zu hören bekommen á la das tut doch gar nicht weh, hab dich nicht so oder hör jetzt auf mit heulen. Auch ein “jetzt hast du genug geweint” können wir stecken lassen. Woher sollen wir das wissen? Jeder Mensch hat für sich seine eigene Schmerzgrenze. Jeder Mensch weiß für sich ob es noch weh tut oder nicht. Jeder Mensch weiß nur für sich ob er noch wütend ist. Wir können es also nicht für Andere sagen. Nicht für ältere und nicht für jüngere Menschen. 

Aber wir können zu hören, warum geweint wird. Wir können zu hören, warum jemand wütend ist. Wir können respektieren wie sich jemand fühlt und ihm oder ihr sagen; es ist okay. Ja, es ist okay wütend, traurig oder sauer zu sein. Ja, wir dürfen merken, wenn jemand schlecht drauf ist. Ja, das ist oft anstrengend, aber ab und zu muss auch mal Regen fallen, sonst sehen wir die Sonne nicht. Ab und zu? Oder ganze Tage lang? So oft wie es gerade nötig ist. 

Dabei dürfen wir sie mit Liebe überschütten. Wir müssen uns nicht zurück halten, weil man das ja nicht macht oder so. Nein! Wir geben so viel Liebe in Form von Zuwendung, Hilfe, kuscheln, zuhören und was sonst noch gebraucht wird, wie wir können. Niemand kann zu viel Liebe haben. Ganz sicher bin ich mir darüber, dass unsere Welt viel mehr Liebe verträgt. Bei jungen Menschen fällt es uns leichter. Darum fangen wir dort an. 

An unserem Kühlschrank hängt ein Magnet mit dem Spruch:

Zuviel des Guten kann wundervoll sein.

Ich glaube auch. 
Auch mir rutschen immer wieder solche doofen Sätze raus. Deswegen schreibe ich mir das auch hier wieder auf. Meistens sind es Situationen in denen ich mir auch ein bisschen mehr Liebe von irgendwo her wünsche. Diese unerschöpfliche Quelle an Liebe ist in uns drin. Oft vergraben unter vielen Vorstellungen, Denkmustern und so altem Zeug, was wir so eingesammelt haben. Ausmisten tut gut, ist aber gar nicht so leicht. Denn immer dann, wenn ich denke nun bin ich da, findet sich noch mehr alter Kruscht. 

Wie viel kostet Liebe?

Keine Woche bis Weihnachten. Werbung hier und Werbung da. Überlegungen wer was geschenkt bekommt gibt’s schon länger, doch nun beginnt die heiße Phase. Denn es wird ja wirklich ein Geschenk für diesen gebraucht und jene darf man auch nicht vergessen. Hin und wieder hört man auch, dieses Jahr gibt es nur etwas Kleines. Am Ende liegen trotzdem eine Menge Geschenke unter dem Baum. Denn das Kleine fühlte sich plötzlich nicht mehr ausreichend an. Warum eigentlich? 

Ein Phänomen, welches ich dieses Jahr bei mir selber beobachten konnte. Ich habe ein Geschenk gefunden. Genauer gesagt, das Geschenk. So eins bei dem der Beschenkte (oder die Beschenkte oder das Beschenkte. Ich möchte jetzt hier nicht eines der Geschlechter benachteiligen, aber es behindert meinen Schreibfluss, wenn ich jedes Mal noch der, die oder das dazu schreiben muss. Also es kann immer der oder die oder das sein, jedoch steht nur eins davon da.) also so ein Geschenk, bei dem der Beschenkte sich freut, weil es genau das Richtige ist. Der Beschenkte vorher gar nicht wusste das er das “brauchen” könnte. Also Nagel auf den Kopf getroffen. Und so lag das Geshenk da. Schon eine Weile. Die Vorbereitungen krochen näher, dann etwas schneller und so langsam schlich sich das schlechte Gewissen ein. Ist das denn genug? Reicht das? Vielleicht hat man selber einen Wunsch geäußert, der ganz anders geartet ist und monetär  bemessen eventuell mehr wert ist. Dann geht das Vergleichen direkt los. Ganz schnell kann es dann sein, dass man sich unwohl fühlt. So ging es zumindest mir. Da stand ich nun mit meinem perfekten kleinen Geschenk. Und dann machte ich mich auf die Suche nach noch einem kleinen Geschenk. Denn zwei  kleine Geschenke machen ja doch auch etwas mehr her, oder? Und nun liegen da mehrere kleine Geschenke. Und ich frage mich, warum? Warum ist das Eine nicht gut genug? Warum muss es in Relation zu irgendetwas sein? Angemessen oder Ausgewogen oder was weiß ich. Warum kann uns unser schlechtes Gewissen da so rein spielen? Und es betrifft ja nicht nur Partner- oder Freundschaften. Warum bekommen Kinder so viele und vor allem große und monetär hochwertige Geschenke? 

Die Antwort, die ich gefunden habe, ist einfach. Vielleicht aber auch nicht, denn es geht um Liebe. Um Liebe und Zeit. Und wann waren diese beiden Faktoren einfach? 

Die erste Antwort, die ich fand, ist einfach. Mit einem Geschenk zeigen wir unsere Liebe. Wir machen jemandem eine Freude, weil er uns wichtig ist. Einfach. Eigentlich. Doch ist die Liebe größer, wenn wir ein größeres, teureres Geschenk verschenken? Nein! Ist die einzige ganz klare Antwort in mir. Obwohl? Die einzige? Wenn ich Etwas ganz großes teures verschenke, dann ist doch wohl klar, dass mir der Beschenkte schon sehr viel wert ist. Das er mir sehr wichtig ist. Das heißt auch, das meine Liebe zu dem Jenigen sehr groß ist. Oder? Nein. Aus dem einfachen Grund, weil Liebe kein Gut ist was sich monetär bewerten lässt. Liebe ist, oder eben nicht. 

Die zweite Antwort, die ich fand, ist die Sache mit der Zeit. Zeit haben wir oder nicht. Die meisten heut zu Tage eher nicht. Wir können Sie bewerten, auch monetär, doch eigentlich ist Zeit wertfrei. Sie ist und wir nehmen sie uns. Und so ist auch -sich für jemanden Zeit nehmen- ein Geschenk. Wenn wir Zeit miteinander verbringen, teilen wir Erlebnisse, Momente und Erfahrungen. Wir er-Leben gemeinsam. Wir teilen das wertvollste was wir haben – unsere Lebenszeit. Und so ist das einzig adäquate Geschenk, für jemanden den wir lieben, Zeit. 

Und nun? Nun beißt sich die Katze in den Schwanz. Eigentlich wissen wir das nämlich längst. Eigentlich wissen wir, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen sollten. Nicht nur dann, wenn es gesellschaftlich vorgeschrieben ist, also zu Weihnachten oder an Geburtstagen. Nein, wir sollten regelmässig über das Jahr verteilt uns Zeit nehmen. Dann wenn sie gebraucht wird oder einfach so. Vorlesen, obwohl Wäsche legen dran ist. Lego bauen, obwohl die Steuererklärung ruft. Nicht den Abend noch vor dem Computer verbringen, sondern zusammen sein. Doch wir sind inzwischen so trainiert, dass wir oft nicht mehr sehen und hören, wann die Zeit gebraucht wird. Die Stimme in unserem Kopf ist laut. Die, die ruft: “Mach noch das und dieses und jenes. Dann hast du Zeit.” Doch das stimmt nicht. Dann ist schon wieder eine ganz andere Zeit und ganz andere Dinge “müssen” jetzt getan werden. 

Und so kommen wir zur dritten und finalen Antwort. Nun ist es eben kurz vor Weihnachten. Wir wissen, dass wir wieder mal zu wenig Zeit gemeinsam hatten. Das der oder die Andere sich mehr gewünscht hätte. Und dann ist da unser Wirtschaftssystem, welches uns in Fleisch und Blut über gegangen ist, und der Meinung ist alles(!) kann monetär erfasst werden. Auch “Güter” wie Liebe oder Zeit. Und dann suchen wir noch dieses und kaufen jenes, nur um dem irrigen Glauben aufzusitzen, dass wir uns Freikaufen können. 

Doch Liebe, wirkliche, echte, wahre, bedingungslose Liebe ist nicht käuflich. Sie ist da. 

Angstnacht

Eine Angstnacht liegt hinter uns. Immer noch steckt sie mir in den Gliedern. Frühstücken geht nur sehr langsam. In dieser Nacht habe ich zum ersten Mal 112 gewählt.

Es war zwischen zehn und elf als der kleine Mann zum ersten Mal hustete. Das ist zu dieser Jahreszeit nichts besonderes. Aber es war anders. Bellender. Trocken. Ein paar mal Husten dann war es wieder gut. Dann wieder und wieder. Er steigerte sich rein. Bekam Angst und kaum noch Luft. Der Herzensmann kümmerte sich um ihn. Ich konnte nur alles hören. Das Septembermädchen wollte wie immer um diese Zeit trinken. So lag ich da mit ihr und hatte Angst um mein Kind. Langsam beruhigte er sich wieder. Er röchelte noch stark beim Atmen. Endlich konnte ich zu ihm. Wenigstens da sein. Die Hand halten. Ich war hin und er gerissen. Er war erschöpft, wieder ruhiger und die Augen fielen ihm zu. Doch ich hatte zu viel Angst. Wollte wenigstens einen Namen für diesen Anfall haben. Von jemandem hören “Alles ist gut”. So riefen wir den Notarzt an. Es folgte ein Ausflug ins Krankenhaus. Zur Sicherheit. Der kleine Mann hat alles tapfer mit gemacht. Er war dann schon wieder recht gut drauf. Erzählte und zeigte. Und sagte mir fröhlich “dsüss Mama”. Kurz nach zwei waren sie wieder da meine beiden Männer. Ich war unendlich erleichtert. Inzwischen ist der kleine Mann wieder recht fit. Nur die schlaflose Nacht steckt ihm noch in den Gliedern. Ein bisschen Husten und röcheln wenn er sich aufregt.

Der Name ist Pseudokrupp. Und wir haben alles richtig gemacht. Wichtig ist ruhig bleiben und das Kind beruhigen. Fenster auf und mit ihm in eine Decke gekuschelt am Fenster stehen. Oder ganz raus gehen. So viel frische Luft wie möglich. Auslöser sind Viren. Die sich besonders bei Nebel gut verbreiten. Diese Nacht war extrem nebelig. Es handelt sich um eine Entzündung nahe des Kehlkopfes, für die besonders Kleinkinder anfällig sind durch das viele Sprechen. Das Gefährliche ist, dass es zu einer Schwellung kommen kann und so eine Atemnot entsteht. Beim ersten Mal sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Wenn man Pseudokrupp schon kennt, kann man je nach Stadium zu Hause bleiben.

Ich hoffe, dass ich solche Angstmomente nicht so bald wieder erleben muss. Das sie kommen weiß ich. Wo unendliche Liebe ist, ist immer die Angst sie zu verlieren. Nun werde ich den kleinen Mann etwas fester umarmen Etwas öfter kuscheln und ihm zeigen wie lieb ich ihn habe. Bis irgendwann die Erinnerung verblasst. Ganz langsam.