Schreien, Brüllen, Heulen

Oder wie ein Nachmittag nach dem Kindergarten bei uns aussieht. 

Der kleine Mann geht nun bald drei Monate in den Kindergarten. Seit dem haben wir uns viel mit diversen Themen rund um das Thema Kindergarten, Bildung, Pädagogik und Schule beschäftigt. Der eine Grund, warum ich mit dem Kindergarten nicht so zu frieden bin, ist der Kindergarten an sich. Aber auch das Verhalten am Nachmittag vom kleinen Mann und die Reaktionen von anderen Familien, wenn ich darüber geredet habe, haben mich sehr stutzig und nachdenklich gemacht. 

Natürlich ist nicht jeder Nachmittag gleich, aber es gibt ein Verhalten, dass immer da ist, wenn der kleine Mann im Kindergarten war. Sind wir alleine essen wir erstmal Mittag und mache dann eine Mittagspause. Irgendwann in dieser Phase kommt meist der erste Ausbruch. In der Regel läuft es so ab: ich bitte ihn schon mal aufs Klo zu gehen/ein Buch aus zusuchen/ sich ins Bett zu legen, er möchte irgendwas ganz anderes, ich erkläre ihm, dass nach der Mittagspause Zeit dafür ist, wir die Pause im Bett verbringen und ein Buch lesen. Entweder er flippt an diesem Punkt schon völlig aus oder erst, wenn ich ihm sage im Bett ruhig liegen zu bleiben. Das  Ausflippen sieht dann so aus, dass er brüllt, heult und schreit. Er ist dann nicht mehr ansprechbar und entwickelt die unterschiedlichsten Wünsche. Diese Ausbrüche dauern zwischen 10 Minuten und 1 Stunde. Inzwischen weiß ich, dass ich nur zu hören muss, dass er so seinen Stress abbaut. Trotzdem ist es anstrengend. Es zieht Energie und am Ende tut ihm der Hals und mir die Ohren weh. Gut ist, dass bei diesem Ausbruch das Septbermädchen Mittagsschlaf macht und ich so ganz bei ihm sein kann. 

Sind wir am Nachmittag zu Hause, spielen beide mehr oder weniger gut zusammen. Oft gibt es dann die Situationen in denen das Septembermädchen mit irgendetwas spielt und der kleine Mann es ihr aus der Hand reißt. Nichts ungewöhnliches in dem Alter, doch wir hatten und haben die Regel erst darum bitten, etwas zum Tausch anbieten und wenn alles nichts hilft, mich fragen. Das hat vor dem Kindergartenstart sehr gut funktioniert. 

Auch ein Phänomen, welches seit dem Kindergarten da ist: Es geht nichts mehr. Wenn wir raus gehen wollen, kann er sich nicht mehr anziehen. Wenn er irgendetwas aus einem anderen Zimmer braucht, muss ich mit gehen, an der Hand. Ich soll bitte wieder mit ihm aufs Klo gehen und und und. Wenn ich dann, aus welchen Gründen auch immer, einmal nicht mit gehen möchte fängt er an zu weinen, zu quengeln bis ich irgendwann genervt mit gehe. Ja, genervt, denn es ist unglaublich anstrengend. Ich weiß, warum er so reagiert und warum er diese Fürsorge braucht. Denn er verbraucht seine gesamte Energie im Kindergarten. Zu Hause muss er auftanken und wenn der Nachmittag nicht reicht, geht es nachts weiter. 

Sind wir am Nachmittag unterwegs oder haben Freunde zu Besuch ist der kleine Mann abgelenkt. Dann geht es solange gut, bis irgendetwas nicht so läuft, wie er es möchte. Ob drei einem Spaziergang jemand anderes zu erst auf die Ampel gedrückt hat, die Spielkameraden etwas anderes spielen wollen als er oder oder oder. Dann rastet er aus. Richtig. Ich versuche dann, ihn raus zunehmen, ihm eine kurze Pause zu verschaffen, doch das ist nicht so leicht, denn er will ja weiter spielen. 

Insgesamt sind es nicht unbedingt entspannte Nachmittage. Natürlich habe ich mich dann mit anderen Müttern unterhalten, denn die Frage “wie geht es den im Kindergarten?” kam regelmäßig. Von den meisten Müttern kamen dann Reaktionen wie “ja das ist genau das, was mich mit meinen Jungs immer stört” oder “ja meiner ist Nachmittags auch so fertig und geht ja nun schon länger in den Kindergarten” oder “ja die Kindergarteneingewöhnung ist heftig, bei uns war es auch sehr anstrengend. Bestimmt drei bis vier Monate lang”. Und ich frage mich dann, Warum? Warum machen alle da mit? Warum tun wir das unseren Kindern an? Wenn etwas uns so stressen würde, dann würde doch jeder Erwachsene es sich nochmal überlegen und ganz sicher etwas ändern. Doch unsere Kinder müssen da durch. Die müssen ja lernen, dass es nicht immer nur spielen und entspannt ist. Die müssen ja auch aufs Leben vorbereitet werden und was weiß ich. Müssen sie das wirklich? Ich bin mir da nicht so sicher. Sicher bin ich mir nur, dass ich es nicht gut finde meinem Kind und uns als Familie das an zu tun. 

Wir haben ein Kindergartenkind

Drei Mal war der kleine Mann nun im Kindergarten. Noch bin ich mit dabei. Noch ist es nicht der volle Tag. Der kleine Mann ist begeistert. Er möchte nicht nach Hause gehen und hat heute schon gefragt, wann er wieder in den Kindergarten gehen darf. So weit, so gut. 

Doch ich habe Bauchschmerzen. Ich habe es mir Ende letzten Jahres nicht leicht gemacht, welcher Kindergarten der richtige wäre. Ich habe Listen geschrieben, abgewogen, hin und her überlegt und noch einmal alles überdacht, bis ich dann die Entscheidung traf. Ja, ich, natürlich im Einvernehmen mit dem Herzensmann, aber am Ende werde ich ihn hauptsächlich bringen und holen und die tausend Kleinigkeiten, die mit dem Kindergarten zusammenhängen, erledigen. Und nun zweifle ich an meiner Entscheidung. Warum? Weil ich das, was ich im Kindergarten erlebe und sehe nicht gut finde. Ja, ich habe bis jetzt nur kleine Momente gesehen, aber in denen Frage ich mich ständig: What? 

Der aller erste Tag. Eine Stunde Kindergarten am Nachmittag. Wir kommen an, werden begrüßt und der kleine Mann bekommt sein Fach gezeigt. Dann geht es in den Gruppenraum. Die Erzieherin zeigt dem kleinen Mann alles. Ich halte mich im Hintergrund bzw. das Septembermädchen davon ab sämtliche Kleinteile auszuräumen. Ich bekomme mit, wie der kleine Mann ein paar Bauteile zu einer Krone zusammen steckt. Dann wird er weiter geführt zum Nächsten, kaum ist er da fertig geht es wieder weiter und so weiter. In der Puppenecke entdeckt er dann den anderen Gruppenraum. Also wird dieser gezeigt. Ich freue mich, denn es wird auf das Kind eingegangen. Inzwischen ist die Stunde fast rum. Die anderen Kinder ziehen sich bereits an, da kommt der kleine Mann mit der Erzieherin wieder. Ich merke wie der kleine Mann stockt als er sieht, das die anderen Kinder sich anziehen. Die Erzieherin erklärt ihm “Ich zeige dir jetzt noch wo das Klo und unser Malraum ist.” Und abziehen sie, ich frage mich: Hä? Er wird doch noch genug Zeit in den nächsten Tagen haben alles zu erkunden. Außerdem stelle ich fest, das keinerlei Interaktion mit den anderen Kindern statt fand. Kein Hallo, das ist der kleine Mann und ist jetzt auch hier in der Gruppe. Nichts. Ich denke mir na gut, vielleicht morgen Vormittag, wenn alle Kinder da sind. 

Nein. Es gibt keine kleine Vorstellung. Auch nicht an irgendeinem anderen Tag. Ich bin froh, das der kleine Mann die zwei Kinder von der Tagesmutter kennt und sie mit in die Gruppe gehen. Am zweiten Tag erlebe ich schlecht gelaunte Erzieherinnen, die motzig mit den Kindern um gehen, einen durch getackteten Tagesablauf in dem kaum Zeit für freies Spielen und entdecken ist. Mir fallen die Kindergesichter auf, die alle recht resigniert aussehen. Glücklich sieht anders aus. Und ich frage mich beim Singen, ob wir hier in der Schule sind. 

Am dritten Tag gehe ich zwischendurch mit dem Septembermädchen raus. Ich hatte das bereits vorher mit dem kleinen Mann besprochen. Alles war gut. Als ich wieder kam, wurde ein Buch angeschaut. Ich dachte, wie schön, das ist ja gemütlich. Und stellte mir kurz vor wie alle auf den Matratzen in der Puppenecke sitzen und gemeinsam ein Buch lesen. Doch schnell holte mich die Realität ein. Die Kinder saßen in zwei Reihen. Die vordere auf Stühlen, die hintere auf den Tischen. Davor stand wie in der Schule die Erzieherin mit dem Buch in der Hand. Die Kinder saßen andächtig da und ihre Gesichtsausdrücke erinnerten mich an die vielen Bilder von Kindern vor dem Fernseher. Als ich die Tür öffnete bekam ich noch den Satz der Erzieherin mit. “Und das Buch das ich euch heute gezeigt habe, heißt xyz.” Großes “Hä?” bei mir. 

Ich frage mich, ob ich dieses System Kindergarten wirklich für mein Kind will. Ob ich möchte, dass mein drei jähriges Kind so einen Alltag braucht. Ob er diesen Druck braucht sich da anzupassen, die vielen kleinen Regeln zu beachten und einzuhalten. Und ich frage mich, wie lange ich ihn da hinbringen kann, denn ich fühle mich nicht wohl damit. Gleichzeitig würde ich ihn sehr verletzen, wenn ich ihn wieder rausnehme. So hoffe ich, das nach der ersten Zeit die Begeisterung abflacht oder sich ein anderer Weg zeigt. Oder wir ankommen. Vor allem ich.

Eingewöhnung mit Unterbrechungen

Nachdem ich mich so richtig aufgeregt hatte, die anfänglichen organisatorischen Probleme beseitigt waren und die Nerven wieder im normal Zustand sind, konnte es los gehen. Fast, denn dann wurden wir erstmal krank. Mit einer kleinen Verzögerung ging es also los. Jeden Morgen zur Tagesmutter. Gemeinsam, versteht sich. Der kleine Mann sah sich alles genau an. War zufrieden und spielte vor sich hin. Alles bestens also. Wir ließen es langsam angehen. Nach gut einer Woche starteten wir in die nächste Runde. Trotz Fieber am Vorabend und allgemeiner Unleidlichkeit des kleinen Mannes. Ich verabschiedete mich und ging nach Hause. Duschen. Welch ein Luxus. Ohne Hast. Einfach nur Duschen. Toll. Nach eineinhalb Stunden holte ich ihn wieder ab. Er spielte erst auf dem Fußboden. Als er mich sah wurde deutlich protestiert. Nicht weil ich ihn abholen kam. Nein, weil ich ihn alleine gelassen hatte. Man wird sich ja wohl noch beschweren dürfen. Darf er. Keine Frage. Es schien ganz gut funktioniert zu haben. Nur die großen Kinder, die machen manchmal so laut und kommen so nah ran. Dann bekommt mann schon mal Angst. Aber daran wird mann sich gewöhnen und später mit machen und sich freuen. Sind dann sicher auch tolle Spielkameraden.
Am Abend war das Fieber wieder da. Das Mittag wurde komplett wieder ausgespuckt. Der kleine Mann war fix und fertig. Ich rätselte vor mich hin. Wälzte Bücher. Beschloss, dass es die Aufregung und die Zähne waren. Aber irgendwie passte das für mich nicht. Schließlich waren die Zähne vorher so einfach gewesen. Besonders die im Unterkiefer. Aber dann war erstmal Wochenende. Keine Termine oder Aktivitäten standen auf dem Plan. Nur zu Hause sein. Ausruhen. Spazieren gehen. Das Tat gut. Am Sonntag Morgen entdeckte ich die ersten kleinen roten Flecken. Abends waren sie bis auf den Rücken runter gewandert. Röteln. Doch angesteckt wurden. Über einen Mittelsmann. So war erstmal eine Zwangspause angesagt. Der kleine Mann genoss es. Nur die Mama zu haben. Soviel gestillt zu werden wie er möchte. Alles eben.
Ich hingegen machte mir so meinen Kopf. Die Zeit lief mir davon. Das Wintersemester lässt nicht mehr lange auf sich warten. Ich hatte wieder keine Ahnung, wie das funktionieren soll. Der kleine Mann war so extrem anhänglich. Nicht einmal der Papa war gut. Nein, die Mama musste es sein. Immer. Bei jeder kleinen Kleinigkeit. Richtiges Essen? Nein danke. Milch. Und nur Milch, bitte schön. Mir blieb nichts anderes übrig. Alles Angebotene wurde ignoriert. Die Milch lautstark eingefordert. Wieder wurde vollgestillt. Innerhalb nur zwei Wochen der zweite “Rückfall”. Ich hatte keine Lust mehr. Auf gar nichts. Stellte mir diverse Fragen. Alle sinnlos zustellen. Aber man macht es ja trotzdem. Auch wenn man weis, wie die Antwort lautet. Es wird sich zeigen, war die Eine. Die Andere, weil mein Studium eben 7 Semester dauert und nicht nur 4. Ja, ich habe mir gewünscht das Studium schon fertig zu haben. Aber so ist es nun mal nicht.
Heute konnten wir endlich wieder mit der Eingewöhnung weiter machen. Am Anfang blieb ich noch etwas da, bis der kleine Mann sich wieder zurecht fand. Als ich nach einer guten Stunde wieder los ziehen wollte, bekam ich eine SMS. Der kleine Mann schlief. Das hatte ich gehofft. Aber nicht erwartet. So bekam ich noch etwas Zeit. Beim Abholen würde auch nur kurz gemeckert. Dafür um so länger umarmt. Das hat mich wieder entspannt. Ich bin wieder guter Dinge und freue mich auf nächste Woche. Dann geht es nämlich wieder los mit dem Studieren.