Der große Mann ist nun seit drei Wochen zu Hause. Das ist schön und gleichzeitig auch anstrengend. Für mich. Denn auch ich bin viel zu Hause, sitze am Schreibtisch, lerne und werkel vor mich rum. So sind wir gerade mehr oder weniger den ganzen Tag zusammen. Also nicht immer im selben Raum und wir gehen ja auch oft genug unseren Beschäftigungen nach. Ich bin in der Hochschule. Der große Mann kümmert sich um den kleinen Mann, macht Besorgungen etc. Aber wir sind so viel zusammen wie sonst nicht. Nach drei Wochen komme ich da an meine Grenzen. Ich bin schneller genervt, störe mich an Sinnlosigkeiten und sehne mir das Ende der Elternzeit herbei. Gleichzeitig stecke ich in einem Zwiespalt. Denn ich möchte die Zeit neben den Prüfungen ja auch genießen, denn schnell genug muss er wieder arbeiten und ist den ganzen Tag weg. Und unsere gemeinsame Zeit beschränkt sich wieder auf einige wenige Stunden am Abend und das Wochenende.
Diese Grenze an Nähe kenne ich von mir bereits. Auch mit sehr guten Freunden kann ich nicht extrem viel und auf Dauer zusammen sein. Nach langen (max 10 Tagen wenn ich mich richtig erinnere) gemeinsamen Sommerurlauben brauchte ich erstmal eine halbe Woche Sendepause. Wenn man bedenkt, dass wir uns sonst im Alltag ohne Probleme jeden Tag sehen konnten, war das dann doch ungewöhnlich. Aber wir hatten ja auch unterschiedliche Schulen, Nachmittagsbeschäftigungen wie Musikschule oder ähnliches die nicht gemeinsam waren und so genügend Abstand. Für mich ist mein Verhalten also nicht ganz ungewöhnlich und neu. Mit dem großen Mann hatte ich diese, meine Grenze nur noch nicht festgestellt. Auch im Sommer konnten wir problemlos vier Wochen zusammen sein. Da war jedoch auch ein Urlaub dazwischen. So scheint der Umgebungswechsel meine persönliche Grenze an Nähe noch zu verändern. Das wusste ich bisher noch nicht. Jetzt sind wir die ganze Zeit zu Hause (bis jetzt*). Die Rollen sind mehr oder weniger festgelegt. Jeder spielt seinen Part in unserer kleinen Familie. Und so hängen wir eben mehr oder weniger aufeinander.
Heute bin ich jetzt erstmal geflüchtet – in die Hochschule – und hoffe, dass der Vormittag woanders schon ein bisschen was bringt. Denn eigentlich lerne ich gerne zu Hause. Dort habe ich alles Vorort. Ich schleppe nicht gerne meine Kilos an Ordnern voller Skripten mit mir herum. Sitze nicht gerne in der Bibliothek. Ich mag meinen unaufgeräumten Schreibtisch, meinen bequemeren Stuhl (in der Hochschule tut einem ziemlich schnell der Hintern weh). Ich lerne gerne ein paar Stunden am Stück und unterbreche dann um irgendetwas im Haushalt zu machen (besonders gerne zeitlich begrenzte Aufgaben wie Spülmaschine ausräumen, oder Wäsche waschen, aufhängen). So kann ich meinem Kopf eine kleine Pause gönnen, bringe meinen Stoffwechsel wieder in Gang. Nach nun fünf Semestern für Prüfungen lernen weiß ich, wie es am Besten funktioniert. Wenn ich ganz für mich bin. Das bin ich seit gut 13 Monaten nicht mehr. Muss mich für zwei Semester umstellen auf ‘lernen mit Kind’. Gar nicht so leicht. Im Moment klappt es ganz gut, da ich durch die Elternzeit zumindest fast für mich bin. Ich kann meinen Lernrhythmus frei wählen. Kann zwischen durch mit dem kleinen Mann spielen oder Wäsche machen. Also eigentlich perfekt. Wäre da nicht mein persönlicher Nähe – Overflow.
* Zum Abschluss der Elternzeit und meiner beendetet Prüfungszeit gönnen wir uns noch ein Wochenende “woanders”. Mehr dazu dann wenn es soweit ist.