Nicht mal über Nacht ist er gewachsen. Nein, innerhalb weniger Minuten nach dem Abendessen. Da hatte ich es endgültig satt. Wieder einmal wuselten seine vom Abendbrot klebrig dreckigen Finger durch seine Haare in denen sich schon andere Essenreste befanden. Schon eine Weile hatte ich das Gefühl, das es so langsam an der Zeit ist. Doch irgendwie konnte, wollte, traute ich mich noch nicht. Denn einmal angefangen gibt es kein Zurück und halbwegs ordentlich sollte es möglichst auch aussehen. Aber zum Friseur mit dem kleinen Mann wollte ich dann auch nicht. Ich geh ja selber auch nicht hin. Und so griff ich dann gestern Abend kurz entschlossen zur Schere. Mit einem Findus und Pettersson Video wurde der kleine Mann ruhig gestellt. Das funktionierte ausgezeichnet. So ruhig wird der Kopf sonst nie gehalten. Und schon fielen die ersten Strähnen. Ganz schön viel kam da runter und ein anderes Kind zum Vorschein. Erstmal mussten wir uns alle dran gewöhnen. An diesen kleinen frechen Lausejungen der da plötzlich vor uns saß. Und auch dem kleinen Mann merkte man an, dass es sich anders anfühlt am Kopf, irgendwie. Beim Abtrocknen nach dem Baden schaute er etwas verdutzt in den Spiegel. Da schaut doch jemand anderes zurück.
Mich überkam dann auch noch ein bisschen Wehmut. Als ich kurz vorm Einschlafen so im Bett lag wusste ich plötzlich, warum ich so lang gezögert hatte. Nun ist er wirklich kein Baby mehr. Das war er schon eine Weile nicht mehr, aber die Haare, bis auf den Pony noch nie geschnitten, waren eine Art Verbindung. Eine Verbindung zu einer ganz besonderen Zeit. Diese wohnt in meinem Herzen. Nun stehe ich staunend neben meinem großen kleinen Mann und kann mich nur wundern über die Zeit und die Natur, die so einen großen Jungen aus dem Baby gemacht hat. Als heut morgen ein kleiner Lausejunge zu uns ins Bett geklettert kam wusste ich, dass es richtig war. Das es eben jetzt an der Zeit war. Nicht eher und nicht später. Es fühlte sich mal wieder richtig an und sieht auch richtig aus.